Balance Akt am 11.11.

Sessionseröffnung in Köln 2016  (Der Wilfried)
Morgens 9.30 Uhr, Rückseite vom Gürzenich an der Wiener Steffi.
Schon um diese Uhrzeit sah ich beim Slalomgehen Richtung Heumarkt verkleidete Menschen, die anscheinend schwer krank waren und an Gleichgewichtsstörungen litten. An einer Hausmauer saß ein Pirat, der mich zu sich winkte. Nun, ich bin immer sehr hilfsbereit und beugte mich zu ihm rüber, um eventuell den Rettungswagen zu rufen. Er winkte mich noch ein bisschen näher mit meinem Ohr an seinen Mund und dann kam es: „Aaaaaaaaaaaaa … “  und dann „Aaaaaaaaaallllllllllll …“ Ich roch seine tierische Fahne, machte den Scheibenwischer und sagte „Alkohol bekommste von mir nicht mehr, Du bist ja granatenvoll und schüpp`nümm“, worauf er den Kopf schüttelte und mich wieder mit meinem Ohr an seinen Mund beorderte und mir ein verschwommenes „A  .. A…A.. Alaaf“ in mein Hörorgan hauchte. Mein Ohr war danach alkoholmäßig desinfiziert.

Hey, fängt ja gut an. Horden von Jugendlichen im schulfähigem Alter, kamen mir entgegen, bewaffnet mit Wodka-, Bier- und Sektflaschen. Alkohol und Karneval scheinen ja echt zusammen zugehören.
Nun, es senkt ja die Schamgrenze und man fühlt sich frei und stark wie der Hulk. Aber Leute, ein bisschen beschwipst und angetrunken geht ja echt, aber was man da teilweise sah, das hat einem echt die Schuhe ausgezogen. Und je kürzer bei den Mädels das Kostüm, desto höher der Blutalkoholspiegel. Aber sie müssen ja irgendwann wieder nach Hause. Entweder gibt es da ein Donnerwetter hoch drei, oder Papa und Mama liegen selbst im Alkoholrausch irgendwo in der Wohnung oder im Badezimmer.
So, ab mit dem Sonderausweis hinter die Bühne. Blaues Bändchen ums Handgelenk. Dann noch ein grünes für vor die Bühne. Abends sah mein Handgelenk aus wie ein Wolfgang Petry-Gedächnis-Unterarm.

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Hinter der Bühne war halligalli. Techniker, oder neudeutsch Stagehands, schleppten Equipment tonnenweise auf die Bühne, derweil übernervöse Künstler mit schweissnassen Händen auf ihren ersten Megaauftritt in dieser Session warteten. Die machen immer einen auf übercool, aber wenn man sie kennt und ihnen in die Augen blickt, weiß man was Sache ist. Man lässt sie dann am Besten in Ruhe. Nach dem Auftritt wollen sie ein Feedback haben, wie sie waren. Wenn man sie ärgern will, sagt man am besten „Egal was die anderen sagen, ich fand Euch toll“, um das natürlich sofort zu revidieren. Ein freundlich gemeintes „Du blöder Hund“, oder oftmals noch was viel Schlimmeres, verbunden mit einem Augenzwinkern, verbunden mit einem tiefen Ausatmen, ist dann meist die Antwort.
Highlight auf der Bühne waren für mich die Paveier mit ihrem Lied „Du häs et schönste Jeseech von Kölle“ und von den Domstürmern „Janz schön Kölle“. So war es auch alles in allem:
Janz schön laut
Janz schön wild
Janz schön Kölle
Aber jeder hat da ja seinen eigenen Geschmack.

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Die Roadies sind die Hardcorearbeiter im Karneval. Die Men in Black. Die Mädchen für alles. Schwarz gekleidet, weil es ein schmutziger Job ist und weil man sie nicht so augenscheinlich auf der Bühne sieht. Ohne sie läuft gar nichts. Ein Knochenjob, der kaum beachtet wird. Wie oft renke ich so ein Häuflein Elend wieder ein, das mit einem verknacksten Wirbel auf einer Stagekiste sitzt.
Nette Leute hab ich getroffen. Zum Beispiel Familie Pitz mit Anhang vom Niederrhein. Fahrzeit so ein Stündchen von Köln, aber nur wenn kein Verkehr ist. Sonst fast zwei Stunden. Morgens sind sie um 3 Uhr !!!  aufgestanden, gefrühstückt, fertig gemacht, um dann nach Köln zum Heumarkt gefahren. Seit 6 Uhr stehen sie wie die letzten acht Jahre in der vordersten Reihe und haben Spass wie Sau.

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Und nächstes Jahr das Gleiche wieder zu machen. Oberjeck!  Tatää tatää tatäää.
Trinken tuen solche Profis kaum was. Trinken heißt Pipi machen und bei den wenigen Toilettenmöglichkeiten dauert ein solcher Gang mindestens 20 Minuten wegen den Anstellzeiten. Man kann sich auch, wenn man getrunken hat, beim Verlassen dieser Toilettenhäuschen direkt wieder hinten an die 50 Meter-Schlange anstellen. Das wäre natürlich auch eine Möglichkeit den Heumarkt zu geniessen. Aber Profis machen das nicht.
Von überall bekommt man auch jenseits der Absperrung Berliner, Frikadellen, Käsewürfel und vieles andere gereicht. Okay, als Bezahlung ist dann mal ein dickes Bützje gefragt, aber man tut das ja gerne.
Und liebe Freunde, wir haben ja November. Und im November sind die Temperaturen niedrig. Teile des weiblichen Geschlechtes verwechseln anscheinend den Open-Air-Besuch mit einem Saunagang oder sind in Erwartung einer GangBang-Party und wollen mit ihren Reizen nicht sparen. Es waren vier Grad mit Nieselregen!!! Sämtliche urologischen Notfallambulanzen dürften am Samstag wegen Überfüllung geschlossen gewesen sein. Der Rest war dann beim Hals-Nasen-Ohren-Arzt  oder in der Hautklinik zum Behandeln des Herpes simplex.
Für unsere Männeraugen, sind wir mal ehrlich, ist das ja schon ( je nach dem) ein Genuss, aber nach einem Blick ins Gesicht mit den blau gefrorenen Lippen und den zittrigen leicht bestrumpften Beinen (wenn überhaupt) überwiegt dann doch oftmals das Mitleid.

Alles in allem ein Balance Akt am 11.11 in Köln.

– Musik, viel Karneval, aber auch viel Disco
– Alkohol, viel aber bitte nicht zuviel
– Kostüm, unbedingt aber warm sollte es sein
– Flirten, ja aber nicht hormonell bedingt bis zur Ekstase rumbaggern
– Bütze, ja, aber das nicht als Aufforderung zum Mehr verstehen
– Schunkeln und Tanzen, aber kein Pogen
Singen, aber nicht krakelen
Einhaken zum Schunkeln, aber kein Betatschen

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Dann ab zum Gürzenich Grill zu den Erdmännchen, die sich auf die Fahne geschrieben haben, dass die kompletten Einnahmen an bedürftige Institutionen verteilt werden. Eine tolle Veranstaltung und eine gesunde Alternative zum Heumarkt. Fast alles, was dort auf die Bühne kommt, hatte vorher am Heumarkt seinen Auftritt oder umgekehrt. Sehr gepflegt, sauber, zivile Preise und eine Party Löwin Elke Schweren samt Manfred Eupen, die immer noch alles unter Kontrolle haben. Sehr empfehlenswert für günstiges Geld. Und hier braucht man sich auch nicht warm einzumummeln.

Und wer abends noch Lust hat auf eine Open Air Veranstaltung hat, der geht am Besten an die Eigelsteintorburg zu der Nippeser Bürgerwehr. Eine irre Kulisse mit Programm von 17 bis 20 Uhr. Marita Kölner, Domstürmer, Rabaue und die Kölsche Adler brachten den Platz vor der Torburg zum Beben.

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Das Highlight da war für mit J.P.Weber an der Flitsch und Stefan Knittler an der Gitarre  samt Keyboarder. Was die da abgeliefert haben war erste Sahne. Mitsingen bis zum Umfallen. Spaß auf der Bühne, der direkt ins Publikum überschwappte. Für viele noch ein Geheimtipp, aber wehe, wenn die mal richtig losgelassen werden.
Der gemütliche Ausklang war für mich nach dem Fackelzug der Nippeser Bürgerwehr von der Eigelsteintorburg um 20 Uhr nach Nippes in der Golde Kappes auf der Neusser Straße, der sich komischerweise auf die Fahne geschrieben hatte, in seinen Örtlichkeiten keinen Karneval stattfinden zu lassen. Stattdessen ging im ersten Stock bei der NBW bei lauter Fastelovendsmusik die Luzzi ab. Manch neidischer Blick ging von den unten sitzenden Gästen aus diesem Grunde die Treppe hoch.