Wir kommen alle in den Himmel! (Frank)

Eigentlich ging es zu wie auf einer Sitzung. Und was für einer! Der „Festsaal“ hatte beindruckende Ausmaße – ganz nach dem Motto: huh Wäng, lang Jäng (Übersetzung für Immis: hohe Wände, lange Gänge). Und er war mehr als prächtig herausgeputzt. Damit übertrumpfte er locker die gute Stube Kölns, den Gürzenich.

Auch die Besucher hatten sich fein herausgeputzt, ganz so, wie es sich für eine anständige Sitzung gehört. Es dominierte Farbe, an erster Stelle natürlich rut-wieß (rot-weiß). Man vernahm Wortbeiträge, die am Stehpult vorgetragen wurden und in jeder Hinsicht an die gute Tradition der Büttenreden erinnerten.

Ebenso wurde eine Ladung Live-Musik in die „Bude“ jedeut – dieses Mal allerdings nicht von Helmut Blödgen, sondern vom Orchester der Domstädter. Dazu wurde aus dem vollsten Brustton der Überzeugung gesungen, zum Beispiel „Halleluja“ von Brings und kräftig geschunkelt, wie zum Beispiel zu „Wir kommen alle, alle, alle in den Himmel“.
Entsprechend locker, erleichtert und entspannt war ob dieser Refrainzeile die Stimmung, die sich noch steigerte, als durch den Mittelgang die Standarten, Fahnenabordnungen und Tanzpaare der dem Festkomitee angeschlossenen Karnevalsgesellschaften einmarschierten.


Na, schon eine Idee, wo ich war? Okay, ich will Euch nicht länger auf die Folter spannen und das Rätsel lösen: Ich habe am 11. Januar am Domgottesdienst für Kölner Karnevalisten in der Hohen Domkirche zu Köln teilgenommen. Selbst wenn man mit der Kirche wenig bis nichts am Hut hat, ist eine Teilnahme absolut empfehlenswert.Los ging es um 18.15 mit dem Einmarsch der bereits oben erwähnten Standarten, Fahnenabordnungen und Tanzpaare, die an der „Spetz“ von Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki persönlich und seinem Gefolge zum Altar und dem Chorraum dahinter geleitet wurde. Allerdings sollte man mindestens eine Stunde vorher, wenn nicht sogar noch früher da sein. Denn es war schon eine halbe Stunde vor Beginn rappelvoll.


Allein das zu sehen, war schon ein Erlebnis. Ich gehöre zu den Kölnern, die den Dom durchaus häufiger aufsuchen. Insofern kenne ich ihn, wenn er mit Touristen gut gefüllt ist. Aber dieses Mal war es eine Messfeier, und dass kein Sitz- oder Stehplatz hierbei frei war, fand ich schon bemerkenswert. Da soll noch einer sagen, dass sich Karneval und Kirche nicht gegenseitig befruchten.

Gott sei Dank hatte ich einen Presseausweis. Auf diese Weise nahm ich die Hürde „Domschweizer“ ganz galant und konnte mit meinen Kollegen einen Stehplatz direkt neben der ersten Bank rechts ergattern. Hier saß das Kinderdreigestirn mit Jungfrau Clara, Bauer Jonas und Prinz Conrad I. – und zwar im vollen Ornat. Die Pfaufedern von Conrads Prinzenmütze ragten dabei so weit nach hinten über, dass er sie quasi bei jeder Bewegung seinem Hintermann „unter die Nase rieb“. Dieser wischte die Federn immer wieder geduldig mit der Hand beiseite, konnte aber bisweilen ein Niesen nicht unterdrücken.

 

Direkt dahinter hatte Ludwig Sebus Platz genommen, dem vor Rührung die Tränen kamen, als „Wir kommen alle in den Himmel“ intoniert wurde.

 

Links neben dem Kinderprinzenpaar residierte das designierte Erwachsenendreigestirn – und deshalb noch ohne Ornat! – mit Jungfrau Stefanie, Bauer Andreas und Prinz Stefan I von der Kölner Narrenzunft.

 

Kardinal Woelki verweilte beim Einzug lange beim Kinderdreigestirn – ganz eingedenk des diesjährigen Sessionsmottos: „Wenn mer uns Pänz sinn, sin mer vun de Söck“. Überhaupt präsentierte sich Kölns „Katholikenchef“ als Mann zum Anfassen.

 

Geradezu locker zelebriert er diesen ökumenischen Gottesdienst zusammen mit dem evangelischen Pfarrer Superintendent Otmar Baumberger. Allein schon dadurch hob er sich wohltuend von seinem Vorgänger, Kardinal Meißner, ab, der sich während seiner ganzen Amtszeit nicht nur mit der Ökumene, sondern auch mit der kölschen Siel (Seele) an sich schwer tat.
Geradezu rührend war es, als Woelki vor einer kleinen blonden „Ballerina“ aus der Kinder- und Jugendtanzgruppe der Kölner Narren-Zunft von 1880 auf die Knie ging, um ein Geschenk in Empfang zu nehmen. „Tiefer kann ich nicht“, entschuldigte sich der Kardinal und erinnerte dabei irgendwie an Jesus beim Füßewaschen – trotzdem Gelächter im Kirchenplenum.

Auch in der Predigt von Woelki ging es um das Thema Kinder. Der Erzbischof nahm Bezug auf das von Stadtdechant Msgr. Robert Kleine verlesene Evangelium, wo Jesus ein Kind in die Mitte seiner Jünger führt (Mk 9, 34-37), um ihnen klar zu machen, dass sie die eigentlich Großen sind. „Die Kinder lehren uns, dass in Wirklichkeit die Kleinen die Großen sind!“, griff Woelki diesen nach wie vor revolutionären Gedanken wieder auf. Was für ein Satz! Selten konnte ich dem Ausspruch eines Kirchenfürsten so zustimmen, wie diesem. Ich, der ich bei 1,69 m aufgehört habe zu wachsen. Wow, allein deshalb hat sich der gestrige Besuch im Dom schon gelohnt.


Überhaupt mündete die Predigt des Kardinals in ein so flammendes Plädoyer für die Kinder dieser Welt, dass ich mich am Ende fragte, warum die katholische Kirche ihre Priester seit bereits so vielen Jahrhunderten zur Kinderlosigkeit verdonnert.
Es war also der absolut erhellende Besuch einer Sitzung, äh pardon, eines Gottesdienstes, der nicht nur am Elften, sondern auch zum elften Mal stattfand. Erhellend, weil ich das erste Mal das hintere Kirchenschiff mit dem Dreikönigsschrein wie noch nie zuvor gesehen hellst erleuchtet betrachten konnte. Erhellend, weil ich nun weiß, dass ich zu den Großen gehöre (Meine Corpskameraden können sich also schon mal warm anziehen!!) Sowie erhellend, weil ich nun mit großer Gelassenheit bei jedem kleinen Ausrutscher an den tollen Tagen sagen kann: „Wir kommen alle, alle, alle in den Himmel.“
Erhellend war an diesem Abend aber schließlich auch, dass diese Art der karnevalistischen Brauchtumspflege wirklich sehr würdevoll über die Bühne ging. Deshalb nächstes Jahr sehr gerne wieder.