Der Veedelszoch in Neubrück (Daisy)

„Zoch is doch Zoch, die einen sind kleiner, die anderen größer. Kapelle, Kamelle, ein paar Bierchen …“, so war die Meinung in unserer Redaktion. Ich hatte mir aber vorgenommen mal einen kleinen, weniger bekannten Zug unter die Lupe zu nehmen, den Zug im Veedel meiner Eltern, in Neubrück. Ich wusste nicht was genau dabei rauskommt und im Verlauf der Recherche ist mir bewusst geworden, dass mein Beitrag diesmal etwas ernster werden wird.

In Kindheitserinnerungen schwelgen …

Doch zunächst einmal zu meinen Erinnerungen. Jeder einzelne Veedelszoch war besonders für mich, bereits zu Kindheitstagen. Schon in der Grundschule gehörte es zu den Highlights im gesamten Jahr daran teilzunehmen. Fast alle Kinder meiner Klasse waren dabei und das Session für Session. Jedes Jahr musste ich meine Eltern förmlich auf Knien anflehen noch mehr Strüßje zu kaufen, der Konkurrenzkampf war wirklich hart unter den Kids.

Ich für meinen Teil hab es als kleines I-Dötzchen genossen, älteren Damen und Herren mit diesem kleinen Strüßje ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern. Es hat mich glücklich gemacht und macht es bis heute noch.

Ich erinnere mich noch als wenn es erst gestern gewesen wäre. In der zweiten Klasse war ich so krank, dass ich nicht mitgehen durfte, nicht mal zuschauen durfte ich. Meine Welt brach an diesem Tag vollständig zusammen. Rotz und Wasser habe ich Tage lang geheult, da half nicht mal eine neue Barbie, die mir meiner Mutter zur Aufmunterung geschenkt hatte.

Zum Glück hatte ich meine liebe Oma, die mir ein paar Kamelle gefangen hat. Das tut sie übrigens bis heute noch, mit 86 Jahren. Aber es war trotzdem nicht dasselbe.

Ich werde richtig nostalgisch, wenn ich daran zurück denke, eine kleine Träne kullert bereits meine Wange hinunter. Tränen der Freude, denn es waren so schöne Momente und Erinnerungen, die so einen immens großen Wert für mich haben und meine Kindheit maßgeblich mitgeprägt haben. Für mich als Einzelkind war das alles eine wertvolle Erfahrung fürs Leben. Nicht nur nehmen, sondern auch geben und vor allem teilen.

Neubrücker Veedelszoch

Seit einigen Wochen bin ich im engen Kontakt mit der Zugleiterin des Neubrücker Veedelszoch, Sylvia Schrage, die auch Vorsitzende des Bürgervereins Neubrück ist. Ich habe dabei viele Hintergründe zu den Veedelszügen erfahren. Sylvia ist eine auf Anhieb sympa̱thische herzliche Frau, die wie eine waschechte Kölnerin wirkt, obwohl sie selbst ein Immi ist.

Man spürt schnell, was für eine Herzensangelegenheit die Planung und Organisation des Zoch’s für sie ist. Bei unserem Gespräch in ihrem Hause saßen wir mehrere Stunden zusammen. Wir haben über den Karneval an sich und vor allem über die Problematik in Neubrück gesprochen: Zu wenig Geld, zu wenig Teilnehmer, zu wenig Zuschauer. Scheinbar hat sich vieles drastisch verändert, in dem Stadtteil, in dem meine Eltern leben und in dem auch ich noch bis vor nicht allzu langer Zeit gewohnt habe. Als Außenstehende erkennt man das nicht oder verschließt vielleicht sogar die Augen davor. Und das ist nicht nur in Neubrück so, die Probleme in den Randbezirken sind fast überall gleich.

Die Kosten in Neubrück

Der Neubrücker Veedelszoch wird vom Bürgerverein Neubrück aus den jährlichen Mitgliedsbeiträgen getragen. Dabei kommen ca. 1.000 € zusammen. Das hört sich zunächst für einen kleinen Zoch nach viel an. Wenn man jedoch bedenkt, was davon alles finanziert werden muss, sieht das Ganze wiederum anders aus.

Zu Beginn steht erst einmal die ordnungsbehördliche Erlaubnis der Stadt Köln an: Diese wird mit 230 Euro verbucht, dazu gehört beispielsweise die Versicherung. Die AWB ist nicht enthalten und muss genauso wie die Johanniter separat bezahlt werden.

Und was ist ein Zoch ohne Musik? Eine Musikkapelle aus Köln kann ganz gut und gerne mehrere Tausend Euro kosten. Sylvia erzählte mir, dass die im Neubrücker Zoch „nur“ 500 Euro kostet und von weit außerhalb stammt: „Ein Musikkapelle aus Köln könnten wir uns gar nicht leisten, die sind überbucht und zu teuer während der jecken Tage“. Also muss eine günstigere Alternative her.“ Natürlich kosten die Materialien der Kostüme und das Wurfmaterial auch noch etwas. 

Zu wenig Gruppen

Jedes Jahr gehen ca. 10 bis 13 Gruppen. 10 Euro zahlen die Teilnehmer für ihr Wurfmaterial. Der ein oder andere wird lachend vom Stuhl fallen ob dieser Zahlen, zumal wenn er die Beträge aus dem Rosenmontagszoch kennt.

Dennoch wird es mit jedem Jahr schwieriger überhaupt noch Erwachsene und vor allem Kinder zu finden, die gerne an dem Zoch teilnehmen möchten. Viele können mit diesem Karneval einfach nichts anfangen, obwohl sie hier aufgewachsen oder sogar geboren sind. Vor einigen Jahren musste der Zug sogar ausfallen, weil es zu wenig Teilnehmer gab. „Das Geschrei war groß, aber wir hätten einfach nicht nur mit drei Gruppen gehen können.“

Zu wenig Geld

Viele Familien können sich selbst diese zehn Euro einfach nicht leisten, schon gar nicht wenn sie mehrere Kinder haben. Aus diesem Grund werden jährlich Sammelbüchsen in einzelnen Geschäften platziert um noch ein paar Euro an Spenden einzunehmen. Jeder Euro zählt, es kommt ohnehin nicht allzu viel zusammen. Erschreckenderweise wurde im vergangen Jahr sogar eine Büchse gestohlen. Verkehrte Welt…

Zu wenig Helfer und Zuschauer

Es fehlt jedoch auch an Freiwilligen, die den Zoch unterstützen und sei es nur für zwei Stunden bei dem gemeinsamen Basteln der Kostüme der Kinder. Sie haben keine Zeit oder keine Lust und wenn doch, dann wollen sie im Rosenmontagszug mitgehen. Auch die Zuschauerzahl ist gering. „Die Menschen gehen lieber zu den anderen, großen Zügen, beispielsweise läuft der in Brück läuft zeitlich parallel zu unserem.“

Mein Fazit

Jedes Veedel und jeder Zug trägt zum Karneval bei und hält die Traditionen am Leben. Dabei zählt jeder Helfer, jeder Zuschauer und jeder Euro. Könnt ihr euch Karneval ohne die kunterbunten, fröhlichen Veedelszüge vorstellen? Menschen wie Sylvia Schrage, die sich trotz aller Problemen engagieren, sind so wichtig für unseren geliebten Fastelovend, damit das Brauchtum eine Zukunft hat. Engagement muss freiwillig sein, aber ich appelliere an alle Kölner da draußen: Besucht auch mal einen kleineren Zoch, wie den Neubrücker. Darin steckt genauso viel Liebe und Fleiß wie in den Großen. Die strahlenden Kinderaugen sind mir Beweis genug.

Neubrücker Veedelszoch: 11.02.18 12.00 Uhr ab Heinrich-Lersch-Straße