Rote Funken in Schwarz – Sessionsbeginn auf Melaten (Brigitte)

„Ist es in der heutigen Zeit nicht vielleicht wichtiger denn je, sich der Worte und ihrer Bedeutung bewusst zu werden, wenn oder bevor man sie ausspricht?“, fragt Heinz-Günther Hunold seine Korpskameraden vor der Gedenkstätte der Roten Funken auf Melaten. Er greift damit das neue SessionsmottoUns Sproch es Heimat“ auf und stellt es in einen übergreifenden aktuellen Bezug. Sprache, Melaten und Fastelovend, noch dazu vor dem Elften im Elften? Was hat das miteinander zu tun? Eine ganze Menge! Aber der Reihe nach …

Es ist Allerheiligen, der Tag, an dem die Christen ihrer Heiligen und Seligen gedenken. Für die Roten Funken beginnt an diesem Tag seit vielen Jahren der Lauf einer neuen Session. Kurz vor halb zehn haben sich am Haupteingang auf Melaten (für Nicht-Kölner, das ist der größte Friedhof Kölns, über 200 Jahre alt und Ruhestätte vieler prominenter Kölner) eine große Schar dunkel gekleidete Funken versammelt. Als die Regimentskapelle Helmut Blödgen den Trauermarsch anstimmt, setzt sich der Zug mit Trauerkranz und Fahnen zur Gedenkstätte der Roten Funken in Bewegung.

   

Gedenkstätte auf Melaten

Vor zwei Jahren haben die Roten Funken für alle Verstorbenen des Traditionskorps einen eigenen Gedenkplatz geschaffen. Groß genug ist die Grabstätte und so wird jeder verstorbene Funk demnächst namentlich auf einer der großen Tafeln aufgeführt und künftig kann sich jeder Funk, der möchte, hier bestatten lassen. Um die Pflege des Grabes kümmern sich die Korpskameraden. Und ganz nebenbei betreiben die Roten Funken damit Denkmalpflege, denn sie sind auch verantwortlich für die Restaurierung dieser Grabstätte der Familien Cron-Allert. 

 

„Wä treu jedeent als Funk op Äaden un met uns jing en Freud un Leid, dä weed niemols verjesse weede. Jott trus Üch en d´r Iwigkeit“, fasst der Spruch neben dem Funkenenblem die Idee des Gedenkens zusammen. (Für die Nicht-Kölner: Wer getreu gedient als Funk auf Erden und mit uns ging in Freud und Leid, der wird niemals vergessen werden. Gott tröstet euch in der Ewigkeit)

 

Nachdem die Rheinmelodiker, seit vielen Jahren mit den Roten Funken eng verbunden, a capella die kölsche Fassung von Schuberts „Heilig, heilig, heilig ist der Herr“ angestimmt haben, kehrt Ruhe ein. Pastor Johannes Quirl spricht über den Tod, über Glaube, Liebe und Hoffnung, Funkenpastor Walter Koll betet mit den Anwesenden für die Verstorbenen der Roten Funken und die Toten in der ganzen Welt, musikalisch untermalt von „Et Klimpermännche“ Thomas Cüpper. 

  

In seiner Ansprache erinnert Rote-Funken-Präsident Heinz-Günter Hunold an die verstorbenen Freunde und Vereinsmitglieder, die nicht mehr dabei sein können. Wie wichtig den Roten Funken der Besuch der Gedenkstätte sei, weil er ihnen Kraft und Erneuerung und die Möglichkeit gebe, der verstorbenen Freunden zu gedenken, sie zu ehren und mit Würde zu verabschieden. Und bevor er die Namen der im letzten Jahr verstorbenen Korpskameraden nennt,  schlägt Hunold über das Sessionsmottos „Uns Sproch es Heimat“ eine Brücke zum aktuellen Zeitgeschehen. Solche Worte wünschte ich mir auch von manch verantwortlichem Politiker zu hören. 

Hunold spricht davon, wie heute die Führer des politischen Geschehens Worte einsetzen, nicht um zu verbinden, vielmehr um sich zu distanzieren. Sprache wird als Waffe gebraucht, die zur Abgrenzung dient. Er verweist auf die zu „Unwörtern des Jahres“ kreierten Wortschöpfungen wie „Lügenpresse“, „Volksverräter“ oder „Gutmenschen“ und auf die aktuellen Kandidaten wie „Asyltourismus“ oder „Denkmal der Schande“ – Worte, die teilweise in der Zeit des Nationalsozialismus entstanden sind. Und er fragt, wo das Erinnern an den menschenverachtenden „Totalschaden“ ist, den gerade wir in Deutschland mit der Generation unserer Väter und Großväter erlitten haben. Damals hat die demokratische Mehrheit geschwiegen, während die Minderheit geschrieen und sich radikalisiert hat. Irgendwann war es dann damals zu spät. Und wie ist es heute, wo die Mittel der Kommunikation mit Twitter, Instagram und Facebook alles einfacher und schnelllebiger gemacht haben und jeder ungefiltert seine Meinung äußern kann? 

Hunold fragt nachdenklich seine Funken, wie sie untereinander mit ihrer Sprache, ihrer Kommunikation umgehen. Sie seien immer stolz darauf gewesen, dass sie miteinander lachen und reden, aber nicht übereinander. Dass sie niemanden öffentlich bloß stellen. Und dass es das vordringliche Kulturgut der Roten Funken sei, die stille Freundschaft genau dann zu zeigen, wenn jemand bedürftig ist.

Diese Ansprache stimmt nachdenklich und lässt lange nachdenken. Über die Frage, wo wir stehen, über unseren Glauben, über das eigene Tun oder Nicht-Tun. Um die Anfangsfrage zu beantworten: Fastelovend und Melaten haben einiges miteinander zu tun, dieser Sessionstart auf Melaten hat das eindrucksvoll gezeigt. Die Roten Funken stehen füreinander ein und das über den Tod hinaus. Und sie wissen, dass es zum fröhlichen Miteinander auch gehört, Verantwortung zu übernehmen für die Bedürftigen und für die Welt um uns herum. Das ist heute nicht mehr überall selbstverständlich, sollte es aber sein!

 

Bildnachweis: Alle Fotos BKB Verlag