„Der Unbeugsame – Der Widerstand des Karl Küpper“ (Brigitte)

Die Geschichte eines Widerständlers auf einer Bühne bringen? Sind dafür nicht ein Buch oder ein Dokumentarfilm besser geeignet. Zumal wenn es sich um einen Büttenredner im Kölner Karneval handelt? Wird das nicht nur Klamauk? Entschieden nein, lautet die Antwort. Die Uraufführung von Tilman Strasser in der Volksbühne am Rudolfplatz hat das Thema auf eine eindrucksvolle Weise umgesetzt.

Ein sparsames Bühnenbild: Schwarze Schnüre mit Glühbirnen hängen von der Decke. Zettel sind mit Wäscheklammern daran befestigt. Zwei Holzstühle, ein Tisch und natürlich die Bütt, das Markenzeichen von Karl Küpper. Auf der saß er doch immer. Mehr braucht es nicht, um den Charakter, das Weltbild dieses Mannes zu beschreiben. Er hatte sich den Nazis mit den Mitteln des Büttenredners widersetzt. Einer der wenigen im Kölner Karneval. Zu Lebzeiten hat er dafür nie die Anerkennung bekommen. Verdient hätte er sie wahrlich.  

Kleine Episoden beschreiben das Leben Karl Küppers vor und nach 1945. Sie fügen sich zu einer großartigen Charakterisierung dieses Mannes zusammen. „D’r Verdötschte“ war einer der beliebtesten Büttenredner seiner Zeit, hatte große Erfolge bei Publikum. Allerdings passten seine frechen politischen Reden den NS-Schergen nicht. Aber Karl Küpper wollte nicht den Mund halten, hat sich über die anfänglichen Bitten, Teile aus seiner Rede zu streichen, hinweggesetzt. Das Ergebnis: Die Gestapo kümmerte sich um ihn in ihrer bekannten Weise. Aber für Karl Küpper war die Redefreiheit nicht verhandelbar. Um der drohenden Verhaftung zu entgehen, meldete sich Küppers schließlich 1940 freiwillig zur Wehrmacht.

Sollte man meinen, nach dem Krieg hätte man ihm wegen seiner aufrechten Haltung Respekt gezollt, so wird man enttäuscht. Die ehemaligen Nazikader saßen nun in verantwortlichen Positionen und wollten nicht an ihre Vergangenheit erinnert werden, was Küpper aber tat. Etwa wenn er die Hand wieder zum Hitlergruß hob und verkündete: „Et ess ad widder am rähne!“ (Es regnet schon wieder).

„Es stand ein Baum am Waldesrand und war organisiert. Er war im NS-Baumverband, damit ihm nichts passiert.“

Thomas Liessem, einer der damals führenden Personen im Kölner Karneval, ehemaliger Festkomitee-Präsient und Chef der Prinzengarde, und Adenauer himself sorgten dafür, dass Küpper bei Kölner Karnevalsgesellschaften keine Auftrittsmöglichkeiten bekam. Das ist der eigentliche Skandal. „Er kam als mutiger Mann aus dem Krieg und ist als gebrochener Mann gestorben“, hat sein Sohn Gerhard A. Küpper einmal erzählt. 

Anerkennung wurde ihm erst in diesem Jahrhundert zuteil, rund 40 Jahre nach seinem Tod. Das Stück in der Volksbühne gehört dazu. Mit großer Bravour verkörpert Gerd Köster die Figur des Karl Küpper. Mal stark und mutig, mal verletzt, mal dickköpfig, mal zärtlich, etwa wenn er mit seiner Sofie, gespielt von Bettina Muckenhaupt, zusammen ist. Jemand, der gegen den eindringlichen Rat von Frau und Freund (Michael Meichssner) auf seiner Haltung besteht. „Dafür bin ich doch da“, war seine Aussage. Brilliant spiegelt Gerd Köster immer wieder die Zerrissenheit zwischen Familie und Bühne wieder, die Küppers Leben geprägt hat.

Dem Publikum bleibt manches Mal das Lachen im Hals stecken. Etwa wenn Thomas Liessem, wunderbar dargestellt von Georg Lenzen, „Fastelovend zesamme“ wünscht und das Kölner Publikum instinktiv mit „Fastelovend“ antwortet. Wenn Liessem sich dann aber freut, dass die Jungfrau endlich wieder von einer Frau verkörpert wird, will das „Alaaf“ nicht hinaus. Wenn Liessem vom „herrlich vaterstädtischen Fest“ spricht und dann seine knallharten Geschäftsinteressen erkennen lässt. Oder aber, wenn die Bütt mit Hakenkreuzfahne in ein Schreibpult verwandelt wird. 

Unterbrochen werden die Szenen von sehr persönlichen Erzählungen Kölner Bürger. Etwa dem alten Herrn, der von seiner Kindheit auf der Flucht berichtet. Wie er jeden Samstag eine Sendung mit Karnevalsliedern im Radio gehört hat. Für ihn war völlig klar, dass es nur ein Ziel gab: Köln. Was er schließlich auch geschafft hat. Als Mitglied der Nippeser Bürgerwehr ist er bis heute dem Kölner Karneval verbunden geblieben.

Oder die Erzählung des Blauen Funken Feinripp, der daran erinnert, dass Karneval weniger mit Vernetzung im Geschäftlichen zu tun hat. Vielmer damit, der Obrigkeit den Spiegel vorzuhalten.  Jupp Menth, der jahrelang als „Ne kölsche Schutzmann“ auf den Karnevalsbühnen stand beschreibt, dass Karneval auch eine Droge sein kann. Das macht nachdenklich, erklärt aber auch, warum Karl Küpper immer wieder nur eines wollte: auftreten.

Regisseur Stefan Herrmann hat das Drehbuch in ein eindrucksvolles Bühnenstück umgesetzt. Das Publikum würdigt die Leistung zum Schluss mit Standing Ovations. Dieses Stück sollte keiner verpassen. Denn gerade in diesen Zeiten richtet sich das Resümee des Stücks als Frage an jeden von uns: Wie weit sind wir bereit für unsere freie Meinung zu gehen?

 

Die nächsten Termine sind 11-14. Juli, 3. und 4. September, jeweils 19.30 Uhr in der Volksbühne am Rudolfplatz, Aachener Straße 5, Tickets gibt es hier

Fotos: @Nathan Dressen/Volksbühne am Rudolfplatz