Vorhang auf für das tägliche „Schauspiel“ in Köln, Deutschland und der Welt – die Persiflagewagen (Ulla)

Das diesjährige Sessionsmotto „Wat e Theater – Wat e Jeckespill ist eine Hommage an die bunte, vielfältige und großartige Theaterszene Kölns. Mit ihm richtet das Festkomitee Kölner Karneval (FK) den Fokus auf ihre Bedeutung für die Stadt und auch auf ihre Probleme. Wie schon in den Zügen der vergangenen Jahre zieht sich das Motto der Session als roter Faden auch durch die Persiflagewagen. Mit einer Auswahl verschiedener Theaterstücke und -zitate werden aktuelle Themen der Stadtgesellschaft und der nationalen und internationalen Politik pointiert dargestellt. Zugleiter Holger Kirsch präsentierte stilecht auf der Bühne des Comedia Theaters sechs der Entwürfe der Kritzelköpp zu den Persiflagewagen.

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Schwäbischer-Gruß- und Kallendresser-Wagen

Auf dem Wagen mit dem kernigen Spruch aus Johann Wolfgang Goethes „Götz von Berlichingen“: „Er aber sag’s ihm er kann mich am Arsche lecken …“ ist eine der bekanntesten Kölner Skulpturen angebracht, der Kallendresser. Diese Figur von Ewald Mataré hängt an der Kall (Dachrinne) am Haus Alter Markt 24 und streckt den Kölnern von oben herab seine bläcke Fott entgegen. Wie sein Name so bildlich sagt, ist er gerade in Begriff, in die Kall zo dresse (scheißen). Am Wagen hängt sein Zwilling gut behütet mit einer bunten Narrenkappe in Grün, Rot und Gelb. Unter ihm strecken aus einem braunen Sumpf heraus sechs Arme ihre Hände zum Hitlergruß in Richtung seines blanken Hinterns. Einer der Arme trägt auf seinem braunen Ärmel eine blaue Binde mit dem Parteizeichen der AfD.

Ist die Darstellung an sich schon plakativ, so wird mit dem „Schwäbischen Gruß“ noch mal deutlich hervorgehoben, was der Narr von den Rechtsextremen hält und dass er auf sie sch…, denn man kann sich lebhaft vorstellen, woraus die braune Masse auf dem Boden besteht.

Am 21. Januar hatte das Festkomitee Kölner Karneval bei der Demonstration gegen Rechtsradikale und Faschisten diesen Wagen auf der Deutzer Werft aufgestellt. Ganz bewusst brach das FK seine Regeln und präsentierte ihn vorab außerhalb des Rosenmontagszugs. Hiermit setzte es ein politisches Zeichen gegen die bei dem Potsdamer-Treffen vom 25. 11.2023 diskutierten Pläne, Millionen Menschen aus Deutschland zu „remigieren“. Wie schon 2022 zeigen die Jecken deutlich Flagge. Als anlässlich des Überfalls Russlands auf die Ukraine das Festkomitee kurzerhand den Rosenmontagszug absagte, zu einer Friedensdemo aufrief und 250.000 Menschen friedlich durch die Straßen Kölns zogen.

Der Bürger als Edelmann (Molière)

Mit diesem Wagen wird dem 200. Todestag von Ferdinand Franz Wallraf (1748-1824) gedacht. Der Kölner Kanonikus war eine der bedeutendsten Persönlichkeiten der Stadt im ausgehenden 18., beginnenden 19. Jh.. Wie kaum ein zweiter Bürger seiner Zeit prägte er das kulturelle Leben der Stadt. Er war nicht nur Priester, Wissenschaftler, Rektor der Universität, unermüdlicher Sammler von Kunst, Literatur und jeder Art „Altherthümer“, sondern auch Gründungsmitglied des Festordnenden Comitées des Kölner Karnevals im Jahre 1823. Seine riesige Sammlung vermachte Wallraf der Stadt Köln. Allein für die Sichtung der Bestände benötigte man neun Monate. Mit der Sammlung wurde u. a. der Grundstock für die Universitäts- und Stadtbibliothek Köln und das Wallraf-Richartz-Museum gelegt. Auf Anregung Bibliotheksdirektor Dr. Hubertus Neuhausen haben die Kritzelköpp diesen Wagen entworfen.

Eine Ansicht des noch unfertigen Doms aus dem 19. Jh. wird von einem opulenten Bühnenvorhang gerahmt. Davor sitzt Ferdinand Franz Wallraf gekleidet in einem schwarzen Mantel. Gleich einem Werk von Giuseppe Arcimboldo wird sein Körper in Anspielung auf seine Sammlung aus Büchern, Schriftrollen, Gemälden und Schreibutensilien gebildet. Seine grauen Haarwellen sind aus dichtbeschriebenen Briefbögen geformt.

Trauerspiel – Missbrauchsfälle 

Ein wahres Trauerspiel ist der Umgang Kardinal Woelkis mit den Missbrauchsfällen in der katholischen Kirche. Quer über dem Theatervorhang in der Fasten- und Bußzeitfarbe Lila ist ein gelbes Schild mit der schwarzen Aufschrift „TRAUERSPIEL“ gesetzt. Aus den Buchstaben tropft die Farbe, sodass die 11 Hermelintupfen der hl. Ursula des Kölner Wappens wie schwarze Tränen erscheinen. Daneben ist Rainer Maria Kardinal Woelki zu sehen, wie er in dem Ordner Missbrauchsfälle zu lesen versucht. Das ist ihm jedoch nicht möglich, da die Pendilenbänder seiner verkehrt aufgesetzten Mitra ihm die Augen verdecken und er blind fürs Offensichtliche ist. 

FAUST – Johann Wolfgang von Goethe

Hier gehts zur Sache. Aus dem Heft Gendersprache schnellt eine Faust in Goethes Gesicht und haut so kräftig zu, dass dem Armen „Hören und Sehen“ vergeht. Mit diesen sprachlichen Konstrukten kann selbst ein Dichterfürst keine Meisterwerke wie „Faust“ produzieren.

Der Rest ist Schweigen – William Shakespeare: Hamlet, Prinz von Dänemark, 5 Aufzug, 2. Szene.

Auf einem Ast ruht genüsslich und selig schlummernd das Faultier Scholz. Die Kritzelköpp sehen in dieser Persiflage „das perfekte Sinnbild für die ganze Leidenschaft und Dynamik, mit der Kanzler Scholz die Regierungsgeschäfte führt …“. Die Idee zu diesem Wagen entstand bei einer Bierlaune, als Holger Kirsch meinte, auch der Kanzler solle im Zug thematisiert werden. Auf den Einwurf eines der Kritzelköpp „Ach das Faultier!“ wurde der erste Entwurf auf einem Bierdeckel verewigt.

Bauerntheater

Widerborstig sitzt der Kölner Bauer auf seinem Allerwertesten und ist im Streik. Da können Prinz und Jungfrau des Trifoliums nur hilflos daneben stehen und sich abwenden oder ärgerlich die Hände in die Hüften stemmen. Der Vorhang zur Premiere zu diesem Bauerntheater hob sich am 08.01.2024. Eine endlose Kolonne Traktoren rollt Richtung Dom und legt den gesamten Verkehr lahm, hat die Regierung den Plan, in der Landwirtschaft den Rotstift anzusetzen“.

Bretter, die die Welt bedeuten – Friedrich Schiller: Gedicht „An die Freude“

Da sind sie nun, die drei „bedeutenden Männer“ – Putin, Xi Jinping und Chamenei. Vernagelt mit einem Brett vor dem Kopf ihre Terrorwerkzeugen in der Hand, setzen sie ihre despotischen Ideen in die Welt. Sie tyrannisieren die Menschen, sodass von den Bühnenbrettern, die die Welt bedeuten, das Blut herunter tropft.

 

Fotos: @Joachim Badura (Pressekonferenz) und @Festkomitee Kölner Karneval (Zeichnungen), @Festkomitee Kölner Karneval/Costa Belibasakis (Demo)