Ich bin der Jupp (Der Wilfried)
Im Karnevalkommt von „Carne vale! Fleisch, lebe wohl!“und bringt den Charakter des Festes als Freudenfest vor der langen Fastenzeit zum Ausdruck bringt. More wird gefeiert, haben wir Spaß, tanzen, singen, schunkeln. Aber wie ist das eigentlich für die, die auf der Bühne stehen? Wilfried, der im Fastelovend viel Backstage unterwegs ist, hat da so einiges mitbekommen. Und er beschreibt, wie sich ein imaginärer Jupp manchmal fühlt.
Ich bin der Jupp, könnte aber auch Hugo, Egon, Erich oder Christoph heißen. Ich bin eine fiktive Person und spiele in einer der Top Bands den Bass. Ich will Euch mal die Eindrücke von mir innerhalb der Sessionsauftritte im Kölner Fastelovend erzählen. Ähnlichkeiten mit Künstlern sind rein zufällig und erfunden.
Sonntag morgens mitten in der Session klingelt der Wecker um 8.30 Uhr. Aaaaaaah, lass es ein böser Traum sein. Alles tut weh, der ganze Körper. Die Finger vom Bass spielen, der Rücken, der Kopf, die Beine, einfach alles. Der Geschmack im Mund erinnert mich an ein fieses Nagetier, welches sich häuslich über Nacht dort niedergelassen hat.
Ich will nicht aufstehen. Aber ich muss. Sonntag morgens laufen die Herrensitzungen. Die sitzen bestimmt schon alle beim Vorglühen in irgendeiner Kneipe bei Bier und Mettbrötchen. Aber ich muss. Das ist mein Broterwerb. Bis zu 200 Mal pro Session. Das sichert den Großteil meiner Kosten übers Jahr weg.
Heute Nacht war ich erst um 3 Uhr im Bett. Letzter Auftritt als Schlussnummer im Sartory. Unsere Roadies haben wieder geschuftet wie die Irren. Ausladen, das zentnerschwere Zeug die driss Wendeltreppe hoch, kein Aufzug weit und breit.
Nach der Ruhe im Tourbus trifft einen die Stimmung im Saal wie ein Keulenschlag. Und da stehen sie schon unten. Unsere Fans. „Können wir ein Selfie machen?“ Ich bin schon kaputt, will nicht, aber es sind unsere Fans. Die besuchen uns auch im Sommer auf den vielen Veranstaltungen, d. h. freundlich sein. Grinsepetergesicht auf und jöh! Also bekommt man die Hände auf die Schulter gelegt und dann funktioniert das Handy nicht. Also nochmal und nochmal, bis das Ding im Kasten ist. Und zum Schluss noch ein Bützjeist ein Kuss mit gespitzten Lippen, ist völlig unverfänglich und hat nichts mit Anmache zu tun. Man bützt zum Dank für ein Strüßje beim Zug, für ein Kölsch oder einfach nur, weil einem danach ist. More. Regel Nummer eins, niemals op de Schnüss küsse. Wir müssen gesund bleiben. Wenn überhaupt Wange, niemals op de Schnüsss.
Los gehts
Meine rechte Schulter hängt schon ganz tief von den Schulterklopfern, die man mit brachialer Gewalt bekommt – vor dem Auftritt mit den Worten „Ihr seid spitze“ und nach dem Auftritt mit „Habt ihr joot jemaat“. Suuuuper!
Verstohlen rieche ich unter meinen Achseln. Trotz Reserve-T-Shirt steigt mir ein unangenehm säuerlicher Schweißgeruch von meinen schwarzen Klamotten in die Nase. Mein Körper braucht unbedingt und dringend ein Deo. Schwarze Klamotten sind in. Geben einem so ein intellektuelles Format, außerdem sieht man den Schmutz nicht so.
Also die Wendeltreppe hoch, kurz zur Pipibox, französische Dusche mit Deo, Haare richtig legen und ab auf die Ledercouch backstage. Früher zog es hier wie Hechtsuppe, aber die Zeit der Sanierungen hat auch den Sartory eingeholt und es ist einigermaßen warm. Ab und zu stehen da noch ein paar belegte Brötchen und es gibt noch was zu trinken.
Adrenalinkick
Wir waren spät dran. Rums, als ich mich hinsetze, höre ich schon den Präsidenten mit unserer Ansage. Er macht uns ein wunderschönes Bettchen für den Auftritt und als der Jubel im Saal losgeht, schießt das Adrenalin durch meinen Körper und alles ist vergessen. Den Bass in der linken Hand, den rechten Arm zum Winken erhoben, geht es ab auf die Bühne.
Dunkelrändige Augen unserer Roadies an der Bühnenseite geben uns mit Daumen hoch das Okay, dass alles in Ordnung ist. Die können auch nicht mehr. Wahnsinn, was die Jungs und Mädels leisten. Ohne die wären wir aufgeschmissen.
Auf der Bühne Vollgas. Alles tobt. Ich vergesse alles um mich herum und hab‘ Spaß wie Sau. Aber ich weiß, dass der Absturz im Bus kommt. Auf dem Weg zum Studio, wo sich nach kurzem „Bis um 10 Uhr, Jungs!“ die Wege trennen.
Und ab nach Hause
Im Auto noch schnell ein Check-up gemacht. Lippenstift aus dem Gesicht, alle Taschen kontrolliert, ob einem nicht Nachrichten mit Telefonnummer zugesteckt wurden. Oft mit einer handgeschriebenen Nachricht – „Du bist so süß, Emoji Herz, Emoji Herz, Emoji Herz.“ Das muss mein Mädchen zu Hause nicht finden. Bei Mädchensitzungen hat man oft Kneifabdrücke auf der Hinterbacke, so oft hat man die Hände auf dem Hintern.
Zu Hause erst mal eine Ibu rein, damit der Körper im Schlaf schon ein bisschen Wohltat bekommt. Schlaf, dass ich nicht lache. Trotz Müdigkeit ist man so hochgedreht, dass man erst mal eine Stunde vor der Flimmerkiste hängt um runterzufahren.
Duschen jetzt oder morgens nach dem Aufstehen? Ich entscheide mich für jetzt, ein gewisser Hygienestandard sollte immer vorhanden sein. Und dann fällt man in einen tiefen Schlaf, aus dem man nach fünf Stunden brutal gerissen wird. Auf dem Weg ins Bad komme ich an einem Spiegel vorbei und zucke zusammen. Die Farbe meiner Haut erinnert mich irgendwie an einen Kalkeimer. Morgen muss ich auf die Sonnenbank, wegen der Bräune und des Vitamin D natürlich. Kaffeegeruch aus der Küche erinnert mich an meine Liebste, die sich am Wochenende sorgsamst um mich kümmert. Frischer Orangensaft und ein leckeres Frühstück warten auf mich.
Großer Dank an die Frau an meiner Seite
Neben dem Teller meine Medikamente und Spurenelemente. IBU rein Magnesium, Vitamine, Zink, alles was die Pharmazie und Nahrungsergänzungsmittel so hergeben. Mein Mädel lässt mich in Ruhe. Sie weiß, dass ich eine Anlaufzeit brauche, bis ich kommunikationsfähig bin. Sie kennt mich. Nur mit so einer Partnerin oder einem Partner an der Seite hält man die Session durch. Und sie oder er darf nicht eifersüchtig sein, um Gottes Willen. Sonst hast du die Hölle auf Erden und bist solo.
Der Nebel lichtet sich langsam beim stillen Frühstück und ich gehe auf den Balkon, um die kühle Morgenluft einzusaugen. Dort hängen meine Auftrittssachen, leicht duftend nach Febreze. Unterhose neu, Socken neu, T-Shirt neu, Hose und Schal müssen noch. Montag ist frei und kompletter Waschtag, wenn nicht ein sozialer Auftritt gebucht worden ist. Die sind fast immer montags. Bei denen werden wir beköstigt und hofiert hoch drei. Oftmals bekommen wir ein kleines Salär, weil die Techniker müssen wir ja bezahlen.
Die sind uns über Covid größtenteils treu geblieben. Wenn es da das Festkomitee und unseren Landesvater nicht gegeben hätte wäre es ganz dunkel im Karnevalkommt von „Carne vale! Fleisch, lebe wohl!“und bringt den Charakter des Festes als Freudenfest vor der langen Fastenzeit zum Ausdruck bringt. More geworden.
Jetzt ab zum Treffpunkt mit den anderen Kumpanen. Dunkle Augenringe, kaschiert mit Sonnenbrillen erwarten mich. Vier Herrensitzungen warten auf uns. Im Umland. Jeweils zwei gegenübersitzende mit je einem Pittermännchenist ein Zehn-Liter-Fass Kölsch. More und zum großen Teil hackestramm, je länger der Tag dauert. Beim Eintritt in diese Festzelte oder Säle fällt einem immer dieser süßsäuerliche Biergeruch auf, der den Magen kurzzeitig rebellieren lässt. Aber dafür gibt es ja Kaugummi oder Magensäurebinder und schwuppdiwupp ist das vorbei.
Und dann kommt es wieder, das Adrenalin, und das Herz fängt an Trömmelchen zu schlagen. Alles ist vergessen, wenn man dann ins Publikum schaut und sieht, dass alle komplett mitgehen, ist alles beim Alten und ich liebe meinen Beruf.
Der Juppi 😊
Kölle alaafAlaaf ist das wichtigste Wort im Kölner Karneval, Schlachtruf aller kölschen Jecken und wird ständig und immer dreimal gerufen. und ich wünsche Euch allen eine wunderbare Session 2024/25.
Der Wilfried!