Gardisten im Stolperschritt – über die Hürden des Griesgrams. Teil 1 (Frank)

Es ist Freitag – freu freu! Denn für Normalsterbliche beginnt nun der entspannte Teil der Woche – auch während der fünften Jahreszeit. Nicht so für uns Karnevalisten. Und erst recht nicht für uns Soldaten der Traditionscorps. Denn für uns läutet der Freitag in der Session den oft hürdenreichen Kampf gegen Muckertum und Griesgram ein.

Titelbild

So ist es auch heute, den 20. Januar. Es fängt schon damit an, dass das „Schlachtfeld“ diesmal auf nicht heimischem und damit unvertrautem Terrain liegt. Bonn! Die Ehrengarde unserer südlichen Nachbarstadt hat um 19 Uhr zum Sternmarsch auf den Marktplatz geladen: Neun Traditionscorps aus Bonn, dem Rhein-Siegkreis, Bad Breisig und – mit der Nippeser Bürgerwehr – auch aus Köln.

Mit Blick aufs Thermometer also zunächst einmal die Skiunterwäsche unterm Bett hervorgekramt – und zwar die besonders dicke. Prompt die erste Hürde: Die sorgsam austarierte Passform meiner Uniform zeigt mir schnell, dass sie einen solch brachialen Eingriff überhaupt nicht mag. Der Reißverschluss der Gardebotz (Gardehose) klemmt ebenso wie der meiner Stiefel. Die Weste spannt, und Smartphone sowie Portemonnaie passen nur mit Mühe in die Innentaschen des Waffenrocks.
Dann die zweite Hürde: Zum vereinbarten Treffpunkt auf dem Parkplatz der Rennbahn in Koeln-Weidenpesch, wo die beiden Busse warten, wird es zu knapp. Also schnell das eigene Auto angespannt – leider ein Leihwagen, der mir genauso unvertraut ist wie das ehemalige „Bundeshauptdorf“. Glücklicherweise hat mein Freund, Mitbewohner und WG-Herbergsvater Martin den rettenden Einfall: Wir parken in der Marktgarage, gehen von dort aus unseren Kameraden, die vom Bonner Loch aus starten, entgegen und reihen uns – hoffentlich unbemerkt – ein.
Also Navi programmiert und auf in die Bonner City. So weit, so gut. Doch als uns die freundliche Dame von Tom Tom das dritte Mal im Kreis um das ehemalige kurfürstliche Schloss scheucht, wird uns klar, dass die digitale „Marschführung“ mit ihrem Latein am Ende ist. Also – ganz gegen militärische Gepflogenheiten – Eigeninitiative ergriffen, Parkplatz in der Sockenstraße, äh pardon, Stockenstraße beschlagnahmt, Dreispitz, Federbusch und Degen aus dem Kofferraum und Abmarsch Richtung Marktplatz.

Mehrere Garden bei dem Sternenmrasch in Bonn
Auch dieser Teil des Aufzugs gestaltet sich schwierig: Als 2-Mann-Corps in preußisch anmutender Aufmachung werden wir von den Weltbürgern Bonns kritisch bis misstrauisch beäugt. Trotzdem gelingt es uns, dem ein oder anderen Passanten ein aufmunterndes Lächeln und Augenzwinkern zu entlocken. Endlich sehen wir die ersten orange-weißen Kameraden, die es bereits bis zur Bühne vor dem Alten Rathaus auf dem Marktplatz geschafft haben.
Dieses Kleinod des Rokkoko, festlichst angestrahlt und feinst herausgeputzt, bietet eine wirklich prächtige Kulisse für unseren Aufmarsch. Indes erinnert die Bühne davor ob ihres Ausmaßes eher an das Rathaus von Knollendorf us däm Hänneschenspill. Und bei der Beschallung muss ich an die letzte Flüstersitzung in der Traditionsgaststätte „Em Kölsche Boor“ am Eigelstein denken. Das tut allerdings der „Schlagkraft“ unserer aus verschiedenen Richtungen anrückenden „Mitkämpfer“ keinen Abbruch. Und die Musikzüge der einzelnen Corps sorgen dafür, dass diese Schlagkraft auch akustisch angemessen wahrgenommen werden kann.

Spielmannszug der Nippeser vor dem Sternenhotel in Bonn

Während der anschließenden Ehrung der jeweiligen Kommandanten bleibt Zeit genug, um über den Anlass dieses freitäglichen Sternmarsches nachzudenken. Hat er etwas mit dem „Sternhotel“ in unserem Rücken zu tun? Oder mit der nah gelegenen Sternstraße? Oder gar mit der Illustrierten „Stern“? Einer meiner Kameraden meint, die Bonner Ehrengarde feiere ein Jubiläum. Doch bevor wir mit unseren Ergründungen zum Abschluss kommen, erschallt auch schon das Signal zum Abmarsch Richtung Zeughaus, dem Vereinsheim und Stammquartier der Ehrengarde.
Was im Gleichschritt ermutigend beginnt, mündet aber schon bald in den sogenannten „synkopalen“ Stolperschritt – eine lange eingeübte Verwirrtaktik, mit der wir den Griesgram bereits so manches Mal genarrt haben. Was bleibt uns auch anderes übrig, bringen doch neun gleichzeitig aufspielende Musikzüge als Marschbegleitung mit jeweils unterschiedlichstem Repertoire selbst den geübtesten Infanteristen aus dem Tritt. So ist keiner von uns wirklich traurig, als wir das Zeughaus erreichen.
Hier werden wir gastfreundlich mit Peters Kölsch aus der Bügelflasche und Ätzesupp empfangen. Auch die Wärme tut gut – zunächst. Denn nach kurzer Zeit fange ich kräftig an zu schwitzen. 500 Gardisten auf engsten Raum, Heizung auf volle Pulle und dazu noch die dicke Skiunterwäsche fordern eben ihren Tribut. Unwillkürlich muss ich an meinen Opa denken, der immer sagte: „Wat jut is jejen dä Kälte is och jut jejen dä Wärme.“ Opa, in diesem Fall muss ich Dir widersprechen: Stimmt nicht!
Im Schweiße seines Angesichts hat schließlich auch unser Kommandant Markus Lambrechts ein Einsehen und gibt den Befehl zum Rückmarsch. Auf dem Weg zum Auto schwillt unser 2-Mann-Schmölzje unversehens auf Mannstärke 5 an. Denn wir wollen uns noch ein wenig im Pullman Cologne umtreiben. Und schon bahnt sich die nächste Hürde an: Werden wir alle in den geliehenen Renault Clio Kombi passen?

Vereinsoberhäupter kommen zusammen

Doch glücklicherweise passieren wir zunächst eine Bonner Traditionsgaststätte. Sie heißt sinnigerweise „Zum Gequetschten“. Freudig steuern meine Kumpels auf den Eingang zu. Denn sie wissen ja noch nicht, was ihnen bevorsteht. Und mir gewährt diese Rast einen kurzen Aufschub zum Überspringen der nächsten Hürde.
Bei lecker Kölsch – wieder Peters – sowie bei Heringsstipp, Grünkohl, Currywoosch un Halve Hahn steigt die Stimmung rasch – der Körperumfang allerdings auch. Und als wir uns unter Ächzen in den Clio zwängen, fühlen wir uns dem Namen des gerade besuchten Lokals „Zum Gequetschten“ sehr nah verbunden.

Zwei Nippeser in ihren Uniformen in einer Wirtschaft

Unser Freund Alex ist an diesem Abend aber so gut drauf, dass ihm auch dies nichts anhaben kann. Er verkürzt uns die Qualen der Rückfahrt erheblich, in dem uns wiederholt die Parodie von Bianca Stelter aus der Stunksitzung auf Bernd Stelters „Ich hab drei Haare auf der Brust…“ vorspielt. Bianca Stelter hat den Wortlaut abgewandelt zu: „Ich hab drei Haare auf der…“ Puh, ich bring es nicht über die Lippen. Soll ja ein jungendfreier Blog bleiben. Also, wer will, kann es sich auf YouTube gerne selbst anschauen.

Fortsetzung folgt…