Man wird nie perfekt – Über Freud und Leid der Kölner Tanzgruppen (Der Wilfried)
Nun sind bald drei Wochen Session bereits vorbei und unsere Tanzfohlen der Kölner Tanzgruppen haben ihre überschüssige angestaute Energie, die sie über Monate angesammelt haben, schon auf Kölner Bühnen gelassen. Jetzt kehrt langsam der Alltag mit seiner Tanz- und Bühnenroutine ein.
Obwohl, Routine ist ja eher falsch. Jeder Auftritt ist besonders. Man kann körperlich am Ende sein, aber wenn die Einmarschmusik ertönt, spritzt aus der Nebennierenrinde das Adrenalin in Strömen in den Körper. Die kleinen Kraftwerke im Körper arbeiten in diesem Moment auf Hochtouren. Bereit, das eigene Beste zu geben und das in monatelangem Schuften und Trainieren Erlernte den Sitzungsgästen darzubieten. Egal wann und wo und man ist einfach da. Mit Körper und Kopf. Zum Zusammenfallen ist nachher im Bus oder zuhause Zeit.
Meistens liegen an Wochentagen Schule oder acht Stunden Arbeit hinter einem und bei späten Auftritten verdrängt man das Denken ans frühe Aufstehen. Dann kommt das Kopfkino: Boah, das Ganze noch über fünf Wochen. Halte ich das durch. Zwei Wochen vor Aschermittwochbeginnt die Fastenzeit. In den katholischen Kirchen wird am Morgen eine Messe gefeiert, in der die Palmzweige, die am letzten Palmsonntag gesegnet wurden, verbrannt werden und aus ihrer Asche ein Kreuz als Symbol der Buße und Reinigung auf die Stirn der Gläubigen vom Priester gezeichnet. Mittags steht traditionell Fisch auf dem Speiseplan, denn nach katholischer Liturgie ist der Aschermittwoch ein strenger Fastentag, an dem man sich nur einmal satt essen und auf Fleisch verzichten sollte. More geht das innere Gejammer aber los: Oh, nur noch eineinhalb Wochen, und dann ist es wieder vorbei. Schizophren, aber jedem Tänzer geht es so. Man will nicht loslassen, will immer weiter, obwohl der Körper ruft, lass es sein. Man ist süchtig nach Bühne, nach Karnevalkommt von „Carne vale! Fleisch, lebe wohl!“und bringt den Charakter des Festes als Freudenfest vor der langen Fastenzeit zum Ausdruck bringt. More, nach der Stimmung, und hat Angst davor, nach Rosenmontag in ein tiefes Loch zu fallen.
Aber liebe Leute. Der Körper braucht seine Regeneration. Gönnt sie ihm. Auch jetzt. Stellt nicht euren Körper vor die Gesundheit. Ich kenne so viele Tänzer, die Jahre später schwere Arthrosen in den Sprunggelenken oder in den Wirbelgelenken bekommen. Aber hier siegt öfter der Karnevalsgeist über die Hilferufe der Knochen und Muskeln.
Lagerkoller gibt es natürlich in vielen Tanzgruppen. Oftmals explodiert man bei geringsten Anlässen, wenn man zwei Monate aufeinander hängt. Man wird ungerecht anderen und sich selbst gegenüber, gerade wenn man kein alter Hase ist. Da kommt noch der Tanzgruppenleiter her und verbannt einen von seiner Stammposition nach hinten, weil man die Leistung nicht mehr bringt und einer besser ist. Weil man in seiner Routine denkt, man müsste körperlich und geistig nicht konstant an sich arbeiten. Man versteht die Welt nicht mehr und heult sich die Augen aus dem Kopf.
Tanzgruppenleiter haben fast immer Recht. Aber auch nur fast immer. Manchmal schüttele sogar ich den Kopf. Aber einer muss die Verantwortung haben. Und das ist für den Betroffenen meistens schwer zu verstehen. Es gibt Tanzgruppen, die legen den Body-Mass-Index als Grundlage fest. Zum Beispiel einen BMI von 19.5. Die WHO stuft einen BMI unter 19 als untergewichtig ein. Die Folge ist ein gestörtes Ess- und Trinkverhalten, welches man auch nach dem Ausscheiden aus dem aktiven Dasein im Karnevalkommt von „Carne vale! Fleisch, lebe wohl!“und bringt den Charakter des Festes als Freudenfest vor der langen Fastenzeit zum Ausdruck bringt. More adoptiert und noch jahrelang mit Ess- und Trinkstörungen mit sich schleppt. Nein, das ist kein Schwachsinn. Das ist so.
Wenn aus dem Nichts auf einmal eine Waage vor einem steht und man durch vorgehendes Essen oder Trinken meinethalben ein Kilogramm mehr drauf hat, kann dies den BMI so verändern, dass man nicht mehr der Norm entspricht. Die Folge sind nicht mehr genug trinken und essen, und die Regenerationsfähigkeit des eigenen Körpers geht vor die Hunde. Ich weiß, dass ich nicht viel offizielle Zustimmung für meinen Post erfahren werde. Oftmals aus Angst seine Position und seine Vereinszugehörigkeit zu verlieren.
Oftmals sind die Tanzgruppenleiter aber auch in der Pflicht, Tänzerinnen und Tänzer vor sich selbst zu schützen. Wenn eine Tänzerin zu schwer für Würfe oder zum Tanzen ist, dann besteht auch die Gefahr für den oder die Tanzpartner oder für die eigenen Gelenke. Dann muss bei dieser Belastung bei den Auftritten je nach Tanzart ein hartes Wort gesprochen werden. Man macht es alles freiwillig, keiner zwingt einen auf Kölner Bühnen zu tanzen.
Es ist toll und wunderschön. Betroffene wollen dies nicht verinnerlichen, was mit ihrem Körper gemacht wird. Man sollte dann als Familienangehöriger, Freund oder Freundin ein hartes ernstes Gespräch suchen, wenn man den Verdacht hat, dass die oder der Aktive allem Anschein nach genug isst und trinkt, aber in bestimmten Situationen auf die Toilette gegangen und sich der Finger in den Hals gesteckt wird. Jeder hat Füße um zu gehen, sich was anderes zu suchen. Nichts auf der Welt kann einen zu irgendwas in seinem Hobby zwingen. Wenn man so etwas macht, macht man es freiwillig. Aber gesund ist dies nicht.
Tanzen ist Träumen mit den Füßen.
Spaß, Tanz und Freude auf höchstem Niveau erfordern Athletik, spezifiziertes Training und Kondition, aber auch geistige Reife. Kölner Tanzgruppen sind ein Aushängeschild des Kölner Karnevals. Ich erlebe jeden Abend die unbändige Freude der Tanzgruppen auf den Bühnen. Und mir und den anderen Gästen geht das Herz dabei auf. Junge Menschen in einem intakten sozialen Umfeld, die die historische Wertschätzung des Karnevals hochhalten. Das ist soo schöön. Soo wahnsinnig schön und soo wichtig.
Und lasst es uns beibehalten und ausbauen. Weil die Aktiven es wollen, weil sie von dem alkoholgetränkten Restkarneval abstechen und das verkörpern wollen. Und wenn ein Kind, eine Jugendlicher oder ein Erwachsener Spaß an diesem Lebensgefühl hat, soll man diesen Aktiven unterstützen und fördern. Aber auch von Profis Ratschläge annehmen, wenn es den eigenen Körper in der Koordinationsfähigkeit und in der Physis überlastet. Aber auch Grenzen beachten. Auf beiden Seiten!
Bildnachweis: Luftflotte © BKB, BMI © PIXABAY, alle anderen Fotos © Joachim Badura