Hello Again – He Am Rhing!

Als Appelsinefunk durch den 11.11.
(Frank)

Zuletzt habe ich im urigen Haus Schnackertz im Herzen von Nippes (mein Tipp: Hier kann man super lecker Gans essen!) auf der Toilette gelesen: „Früh aufstehen ist der erste Schritt in die falsche Richtung.“ Als geborenem und überzeugtem Spätaufsteher spricht mir das voll aus dem Herzen. Klar also, dass eine Verabredung mit meinen Kameraden aus dem Senat der Nippeser Bürgerwehr am Elften im Elften um 9.30 Uhr zum Frühstück eine Herausforderung darstellt.

Zumal das Anziehen anlässlich der Sessionseröffnung weitab der täglichen Routine liegt. Wir wollen nämlich alle schon von morgens an in Uniform los. Also besonders früh aufgestanden und – noch halb schlaftrunken – erst einmal alle Uniformstücke zusammengesucht: weißes Oberhemd, weiße Gardehose, weiße Hosenträger, Gurt mit Lederhalterung für den Degen, Weste und orange-weißer Waffenrock (sind noch alle Goldknöpfe und die Schulterklappen mit dem Rangabzeichen dran?), Bandolier mit Patronentasche, Reiterstiefel unterm Bett hervorgekramt, ach ja, und dann noch Jabeau, Halskreuz und das Krätzchen. Fast vergessen, der Degen im Schirmständer und der Hutkoffer mit Dreispitz und Federbusch aus der hintersten Ecke der Garderobe. Uff, das war’s. Bloß nichts vergessen, denn das kostet ein Fass für die Wache.

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Dann „frisch jewäsche un raseet“, genauso wie es in unserem Appelsinefunke-Marsch von Wicky Jungeburth steht. Und schließlich der spannendste Moment des ganzen Tages: Passt noch alles? Jaaah, God save Tünnes un Schäl! Jetzt also schnell ins Auto. Wir treffen uns beim Butter- und 5-Sterne-Bäcker Höschler in der Johannisstraße (noch alles selbst gebacken, total viel Auswahl und lecker wie bei Mama) auf frische Frikadellenbrötchen mit Capuccino. Ein Rat an alle Karnevalsneulinge: Eine gute Grundlage ist das A und O, um den langen Tag zu überstehen – egal, ob mit Kölsch oder ohne. Ein toller Nebeneffekt unseres Treffpunkts: Schräg gegenüber in der Servasgasse liegt das recht versteckte und daher selten überfüllte Parkhaus Rhein Triadem. Dort stelle ich meinen Wagen ab.

Als erste Station zum Feiern haben wir das Brauhaus Gaffel am Dom ins Auge gefasst. Das Problem ist nur: Wir haben keine Eintrittskarten. Zum Glück kennt unser Kumpel Peter die „Rabaue“ gut. Mit Ihnen sind wir vor der Tür verabredet, und als ihre „Leibgarde“ getarnt kommen wir ungehindert an den Ort unserer Wünsche. Die „Raufbolde“ eröffnen musikalisch mit Ihrem Sessionshit „He Am Rhing“ auf die Melodie „Hello Again“ von Howard Carpendale – wie passend zum Karnevalsauftakt!

Nach einer halben Stunde ist die Stimmung im bereits gut gefüllten Gastraum bestens angeheizt. Gut gemacht, Rabaue. Weiter geht’s mit unseren musikalischen Freunden aus Grevenbroich zum Bootshaus Luise im Rheinauhafen, ein Insider-Treffpunkt und Vereinsheim mehrerer Karnevalsgesellschaften. Ein bisschen erinnert das intime und gemütliche Ambiente an die Hamburger Haifischbar. Haifische gibt hier allerdings keine. Doch aufgepasst, in der Enge des Gefechts verfängt sich so mancher weiblicher „Backfisch“ in den Fängen eines staatsen Kölner Stadtgardisten.
Pünktlich um 11.11 Uhr gibt es erst einmal Freibier. Nach zwei Stunden ist es dann endlich soweit: Tom, der Wirt, ist von unserem Erfolg im Kampf gegen Muckertum und Griesgram so überzeugt, dass er auf einem Bierdeckel unterschreibt: „Ich bin ein Nippeser!“ Jetzt, lieber Tom, gibt es kein Zurück mehr, nun bist du bist Du Appelsinefunk. Schnell vergeht mit Schunkeln und Bützen die Zeit, so dass uns unser Senatspräsident Martin um 16 Uhr mit Nachdruck an die Sessionseröffnung der Bürgerwehr an der Eigelsteintorburg erinnern muss.

Also erneut Abmarsch, und es ist bereits dunkel, als wir beim nördlichsten der drei erhaltenen Kölner Stadttore eintreffen. Von weitem leuchtend ist die ehemalige Einfallspforte der Nippeser Kappesbauern orange angestrahlt und verleiht dem Platz davor eine außerordentlich stimmungsvolle Atmosphäre. Rund 500 Jecke verfolgen trotz lecker frischer Kälte gut gelaunt, schunkelnd und mitsingend das von der Bürgerwehr verantwortete Programm mit der Jugendtanzgruppe der Greesberger, den Domstürmern, Kölsche Adlern, Marita Köllner (der diesjährigen Preisträgerin des Golde Kappes) sowie wiederum den Rabaue. Die Veranstaltung ist eine klasse Alternative zur drangvollen Enge auf dem Alter Markt und besonders geeignet für alle, die tagsüber arbeiten müssen.

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Bevor wir im Anschluss daran zu unserem traditionellen Fackelzug aufbrechen, schnell noch zum Stärken und Aufwärmen in die Traditionsgaststätte „Kölsche Boor Am Eigelstein“. Dort sind um diese Zeit alle Räumlichkeiten fest in der Hand der Orange-Weißen. Und endlich geht es auf „Befehl“ unseres Kommandanten Markus Lambrechts mit Stabsmusikzug, Soldaten, Offizieren, Reitern ohne Pferd und erhobenen Fackeln in der Hand zurück ins Veedel zu unserem Stammquartier „Em Golde Kappes“.
Wie so häufig geht mir dann die Frage durch den Kopf, was für mich als Non-Konformisten den Reiz am Gleichschritt in einem uniformierten Traditionscorps ausmacht. Wenn ich dann aber die vielen freundlich zulächelnden Gesichter, zuwinkenden Hände, zustimmend hupenden Autos und blitzenden Smartphone-Kameras sehe, sind meine anfänglichen Zweifel schnell zerstreut und ein beschwingtes Wir-Gefühl macht sich breit.

Die Ankunft im Kappes holt mich aber wieder schnell herunter. Denn vollkommen unverständlicherweise hat das neue Konzept des Betreibers vom Kappes, die Früh-Brauerei, nichts mehr für vitalen Kneipenkarneval übrig. Stattdessen wird in den Gasträumen im Erdgeschoss bei gedämpfter Musik gepflegt gespeist, während in den Räumen im 1. OG die Party der Bürgerwehr allem Griesgram zum Trotz so langsam in Schwung kommt.

Um 22.30 Uhr ruft mein Magen erneut nach einer Stärkung. Schräg gegenüber dem Kappes finde ich zusammen mit meinem Freund Raimund im relativ neu eröffneten Burgerrestaurant „Hornochse“ trotz später Stunde noch Einlass sowie Speis und Trank. Der von mir bestellte Tandoori-Burger mit Grillananas und Bacon ist ein Gedicht sowie eine wirklich empfehlenswerte Alternative zum „etwas anderen Restaurant“. Danach noch schnell en (kölsches Zahlwort für 1 bis unendlich) Absacker im Kappes, dann mit dem Taxi zum Parkhaus Rhein Triadem und mit Wasserbauch und Auto nach insgesamt über 14 Stunden Sessionseröffnung zurück nach Hause.

Kurz bevor ich müde aber glücklich die Augen zumache, rufe ich mir nochmal den Spruch aus dem Haus Schnackertz ins Gedächtnis: „Früh aufstehen ist der erste Schritt in die falsche…“ Doch nächstes Jahr heißt es für mich trotzdem wieder: „Hello again – He Am Rhing!