Frauen brauchen ein Netzwerk (Nicci)

Morgens früh um zehn in Köln Ehrenfeld. Heute bin ich mit Dr. Marie-Christine Frank zum Kaffee verabredet. Ein Gespräch, auf das ich mich schon seit der Zusage der Wahlkölnerin gefreut habe. Warum? Weil es mich nicht nur interessiert, was Marie über die weibliche Rolle im Karneval denkt, sondern auch, weil sie selber fleißig hinter den Kulissen des Kölner Karnevals agiert, ein gutes Netzwerk besitzt und einen klaren Blick auf viele Regelungen und Verhältnisse hat.

Auf der Suche nach einem Verein

Es ist auch nicht unser erstes Zusammentreffen. Demnach alles sehr entspannt, locker und wir machen ein wenig Smalltalk vorab. Dabei wurde ich darüber informiert, dass Marie schon seit ihrem dritten Lebensjahr im Karneval aktiv ist, ihn als Tänzerin und Trainerin in ihrer Heimat Vettweiß (Kreis Düren) lieben lernte und bei ihrem Umzug 2012 nach Köln direkt einen neuen Verein finden wollte, in dem sie ihrer Liebe für die jecke Zick nachgehen konnte.

 Vielleicht war es naiv zu glauben, dass es in der Hochburg Köln unkompliziert sein würde, einen neuen Karnevalsverein zu finden. Ich kann dir sagen, ich habe bei acht Gesellschaften angefragt und nur eine hat geantwortet.

Ok, wow. Ich war verblüfft. Sollte sie sich bei einem Traditionskorps beworben haben, kann ich das verstehen, denn hier ist allseits bekannt, dass Frauen in offiziellen Positionen tabu sind. Aber zumindest weckt das den Eindruck, dass die Anfrage ggf. gar nicht wirklich ernst genommen wurde. Aber die Große Kölner können sich glücklich schätzen, dass sie Marie an Bord geholt haben. Immerhin agiert sie als Social Media Beauftragte und stellvertretende Pressesprecherin des Vereins und erzählt mir mit Stolz, dass nun auch eine Frau im Vorstand der Familien- und Frackgesellschaft sitzt. Außerdem sind unter den jährlichen Neuzugängen circa. die Hälfte Frauen. 

Das finde auch ich cool. Vor allem weil Marie mir das ohne eine rebellisch feministische Haltung erklärt. Sie hat reine Freude daran ein Teil der Sache zu sein. Zugehörigkeit kann man sagen. Als ich nachgefragt habe, wie viel Mühe so etwas als Frau kostet, sagt sie ganz klar:

„Im Karneval eine verantwortungsvolle Position zu haben, ist genauso viel Arbeit, wie in jeder anderen vergleichbaren Position auch. Allerdings habe ich meine Arbeit als große Freude empfunden und weiß zu schätzen, dass man mir als Neuling im Verein damals so viel Verantwortung gegeben hat. Ich empfinde meine Aufgaben als Privileg.“ Man kann als Frau im Karneval sehr viel machen, nur eben nicht in Traditionskorps. „Frauen, die wirklich wollen, finden ihren Platz. Man muss nur länger suchen. Hierzu tragen auch die neuen Damen-Karnevals-Gesellschaften bei, die vielen Frauen eine karnevalistische Heimat geben. Ich bin in einem gemischt-geschlechtlichen Verein großgeworden. Mir würde was fehlen, wenn es anders wäre.“ 

Netzwerke

Ich frage mich, ob es einem Mann genauso schwerfallen würde, einen Karnevalsverein zu finden. Zumindest hätten sie eine größere Auswahl. Und durch die Dominanz der Männer im Karneval, herrscht hier vermutlich ein stabileres Netzwerk. Ich hake nach und Marie hat zunächst ein paar faktische Antworten für mich:

„Laut einer Studie der University of Minnesota machen Frauen auf Networking Events 42 % weniger Kontakte als Männer, weil sie sich eher mit Personen umgeben, die sie bereits kennen. Sie verkaufen sich oft unter Wert und ihr Streben nach einem ausgeglichenen Beziehungshaushalt führt dazu, dass sie eher geben als nehmen, dass sie eher helfen als selbst einmal nach Rat zu fragen. Eine Studie der EBS hat herausgefunden, dass es Männern besser gelingt, Netzwerke für ihre Karriere zu mobilisieren und dass sie größere berufliche Netzwerke haben.“

Mindblowing. Ich bin erneut baff. Beim Netzwerken fand ich mich bisher immer ganz gut und ich hatte auch stets das Gefühl, dass ich mit Frauen gesprochen habe, die ziemlich genau wussten, was sie wollen. Aber vielleicht nehme ich das auch nicht richtig wahr. Fakt ist jedoch, dass Marie sich schon seit ihrem Studium mit dem Thema „Gender“ befasst und ich deswegen keinerlei Zweifel an dieser Aussage habe. Ich meine, erfolgreiches Netzwerken hat immer sehr viel mit Geben zu tun, bevor man irgendwas erhält.

Trotzdem überschlagen sich meine Gedanken:
 
  Liegt es am weiblichen Naturell? 

  • Verhalten Frauen sich untereinander auch so oder nur, wenn Männer im Spiel sind?
  • Konkurrieren Frauen anders miteinander? Im Sinne von Stutenbissgkeit? 
  • Lassen wir uns zu schnell einschüchtern?

Ein Beispiel ist die kölsche Musikszene. 

„Hier haben es Frauen scheinbar oft schwerer. Deswegen würde ich mir mehr Frauen wünschen, die da am Ball bleiben. Ich kann aber auch verstehen, dass man es nicht tut, weil es einfach auch sehr anstrengend sein kann. Auch hier kann ein Netzwerk helfen.“

Da stimme ich ihr zu 100 % zu! Ich meine (Hand aufs Herz) wir Frauen haben schon in unserem Genpool eine konkurrierende Art. Wir zicken gerne mal rum und dealen potenziell mit einem höheren Neidfaktor als es Männer tun. Und ja, das sage ich als Frau. 😉 Aber diese Faktoren kann man so einfach bearbeiten, indem man sich zusammentut. Dabei ist es sogar egal, wenn man in unterschiedlichen Feldern tätig ist. Wenn man wirklich zuhört und sachlich miteinander diskutiert,, findet man viel eher gemeinsame Stränge, an denen man ziehen kann. Marie steht deswegen besonders gerne jungen Frauen als Patin bei der Großen Kölner zur Verfügung. Sie selber hatte zwei männliche Paten. Generell hat Marie mit Männern im Karneval keinerlei negative Erfahrungen gemacht, die sie mir schildern könnte. Sie wurde von den Männern in ihrem Verein sogar sehr gefördert.

Für den Karneval empfiehlt Marie Frauen noch ein paar Dinge: „Sich mit seinen Fähigkeiten und Interessen einbringen, sich nicht einschüchtern lassen, um Hilfe fragen, Kontakte zu anderen Frauen knüpfen, Angebote machen, gemeinsame Projekte starten – auch über die Grenzen des eigenen Vereins hinaus.“

Auf Netzwerk-Events empfiehlt Marie übrigens alleine hinzugehen. „Man kommt so viel schneller ins Gespräch mit neuen Menschen.“

Es war ein sehr aufschlussreicher Vormittag für mich. Inspiriert und mit meinen Gedanken und Ideen herumspielend mache ich mich zurück auf den Weg in die Kölner Innenstadt. Ich möchte Marie nicht nur für das Gespräch danken, sondern finde auch, dass ihr Handeln breite Würdigung verdient. Denn Marie hat unter dem Namen „Macherinnen“ ein Netzwerk nur für Frauen in Köln gegründet. (Und nein, das ist keine Werbung, sondern eine gute Sache!)

Bildnachweis: Dr. Frank und Nicci: Nicci Haumann; Foto Dr. Frank mit Kamera: Niki Siegenbruck; Foto Dr. Frank in der Flora: Kai Uwe Fischer