Covid-19 – Das Postive an der ganzen Sache (Sarah C.)

Statt fiere, schunkele, danze plötzlich zwei Meter Abstand – für den herzlichen, kneipenabendliebenden Kölner nicht einfach. Vor ein paar Wochen haben wir noch über die Session berichtet, zusammen in vollen Kneipen gefeiert und zu Hunderten den Nubbel verbrannt. Und plötzlich scheint die Welt eine andere. Die Situation ist neu und irgendwie befremdlich, dennoch habe ich nicht vor, mir von dieser Sache, die ich nunmal nicht ändern kann, die Lebensfreude nehmen zu lassen. Neben dem ganzen Driss, der faktisch auf der Hand liegt, ist nämlich auch ganz schön viel Gutes passiert.

Innere Knoten lösen

Ich habe einfach mal nachgedacht. Mal losgelassen, mal zugelassen. Im Alltag geht alles schnell, ich bin hier und da und merke gar nicht, wie ich in Muster falle, die mir nicht guttun. Wenn ein schlechtes Gefühl in mir hochkocht, sage ich ständig „Jetzt nicht“ und irgendwann habe ich da diese Schwere in mir, die einfach nur Beachtung braucht, um wieder leicht zu werden. Ein riesiger, innerer Kloß war nach zwei Tagen zuhause also plötzlich weg. So einfach kann es manchmal sein.

Familie

Plötzlich denke ich über meine Familie nach. Gehört jemand zur Risikogruppe? Hat jemand Voerkrankungen oder einen derzeit riskanten Job? Die Antwort ist ja. Aus dem Impuls heraus rufe ich meinen ehemals krebskranken Vater an. Und zum ersten Mal seit sehr, sehr langer Zeit haben wir ein gutes Gespräch. Wir lachen und telefonieren seitdem fast jeden Tag.

Kreativität

Jetzt ist die Zeit, endlich mal das zu machen, was man immer mal machen wollte. Wo man immer sagt „Das mache ich, wenn ich mal Zeit habe.“ Ein Buch schreiben, seit langem mal wieder ein gutes Buch lesen, das eigene (soweit zuhause möglich) Hobby perfektionieren, ausmisten, Ecken putzen, von denen man gar nicht wusste, dass es sie gibt, bewusst Musik hören. Ich kann mich nicht erinnern, wann ich zum letzten Mal so lange einfach mit meinem Kaffee am Fenster saß und Musik gehört habe.  Und diesmal habe ich nicht nur Musik gehört, ich habe der Musik richtig zugehört.

Neben alldem, was uns gerade belastet, gibt es viel, was wir aus dieser Zeit lernen können. Ich habe gelernt, spontaner zu sein, impulsiver. Dinge einfach mal zu machen. Ich spüre so viel Liebe meinen Freunden gegenüber wie vielleicht noch nie. Ich gehe dankbar und aufmerksam durch die Welt. Es ist schön zu spüren, wie die Menschen, die mir am wichtigsten sind, jetzt zu mir halten. Wie sie mich brauchen und ich für sie da sein darf.

Und am Ende sage ich es mit den Worten von Paveier: Dat jeiht vorbei. 

Bildnachweis: Fotos ©Sarah Christine Kusche