Pullman: … jetzt im Wechselschritt! (2. Teil Frank)

Ihr erinnert euch, ich komme vom Sternmarsch in Bonn und fahre ins Pullman Cologne. Alex kann sich nicht die Bemerkung verkneifen: „Wenn die uns mit `nem Clio vorfahren sehen, kriegen wir keine Schnitte.“ Als ich jedoch direkt gegenüber dem Hotel einen Parkplatz erhasche, sind alle Bedenken schnell zerstreut. Martin stellt indes fest, dass er seine seidene Prunkmütze wohl in Bonn verloren hat.

Auf diese Weise durch den Kampf gegen Griesgram und Muckertum schwerst gebeutelt, betreten wir – ebenso betreten – das Foyer.


Doch große Zeit zum Wunden lecken bleibt nicht. Denn schon kommt uns mit ausgebreiteten Armen Julie Voyage von der Kölner Travestie-Expedition entgegen. Im Hintergrund läuft gerade von den Paveiern „Leev Marie, ich bin kein Mann für eine Nacht!“ Gewollt? Zufall? Wie auch immer, Julie steuert in Wirklichkeit nicht auf uns, sondern auf eine Gruppe Bürgergardisten „blau-gold“ zu. So bleibt unserem Kumpel Peter Zeit, für uns einen Rundtisch in Jimmy´s Bar zu organisieren. Dies ist alles andere als einfach. Denn das Pullman ist zu dieser Zeit – so zwischen 23 und 24 Uhr – immer rappels voll.

Ein Abend im Kölner Karneval in der Bar des Hotel Pullman Cologne

Es hat sich eben herumgesprochen, dass in der Hofburg des Dreigestirns die neun Traditionscorps Kölns ihre Auftritte ausklingen lassen. So kann man hier auch als „Zivilist“ im wahrsten Sinne des Wortes auf Tuchfühlung gehen mit den Soldaten der Prinzengarde, Ehrengarde und Bürgergarde „blau-gold“, der Roten Funke, Blauen Funke und Appelsinefunke (= Nippeser Bürgerwehr), der Altstädter, Treuen Husaren und von Jan von Werth. Und die Chance, sogar auf das Dreigestirn – in privatissime – zu treffen, ist keineswegs abwegig.

Außerdem mischen sich die zahlreichen Gäste aus der jeweiligen Sitzung im großen Festsaal des Pullman unter. Dieses Mal gastiert seit 20 Uhr die Große Braunsfelder KG mit ihrer Prunk- und Kostümsitzung hier.

Julie Voyage in der Pullmann Bar

Doch Gott sei Dank kennt unser Peter Barchef Charly Fukuhara persönlich. Und so können wir direkt neben dem abgesperrten Bereich für die Prinzengarde Platz nehmen. An der Fensterfront steht derweil ein ganzer Tisch voll junger Leute. Sie müssen den Umgang mit dem blonden Nass offensichtlich erst noch lernen. Denn als beim wiederholten Wippen und Schunkeln das dritte Glas umfällt und somit auch der Boden ein Kölsch spendiert bekommt, höre ich auf zu zählen.

Ein Abend im Kölner Karneval in der Bar des Hotel Pullman Cologne
Zum Umfallen ist der Abend allerdings auch im weiteren Verlauf. Ich schlage Günter vor, kurz im Lab 12, der zweiten Hotelbar des Pullman auf dem 12. Stock, vorbeizuschauen. Schon im gläsernen Aufzug eröffnet sich einem beim Hochfahren ein toller Blick über die Stadt Richtung MediaPark. Getoppt wird dies allerdings, wenn man im eleganten Ambiente des Lap 12 auf der anderen Seite durch die große Fensterfront auf die hell erleuchtete Fassade des Doms sieht. Wow!

Kaum stehen wir an der Bar, um den berauschenden Blick auf den Dom durch einen Cocktail noch zu steigern, kippt ein als römischer Senator verkleideter Gast vom Hocker – im wahrsten Sinne des Wortes. Die Bedienung reagiert derweil ausgesprochen gelassen. Und als der dritte Gast auf diese etwas unsanfte Art nähere Bekanntschaft mit dem Boden macht, wird mir auch klar, warum: Bei genauerem Hinsehen entpuppen sich diese Sitzgelegenheiten als recht unausbalancierte Dreifüße. Glücklicherweise handelt es sich eher um bodennahe Schemel. Verletzungsgefahr also gering. Sieht aber trotzdem ziemlich ungalant aus, wenn man gerade dabei ist, eine frisch eroberte Grazie aus dem Basement zu beeindrucken.

Zwei kostümierte Damen in der Pullmann Bar

Nachdem wir die oberen Sphären der zwölften Etage verlassen haben, stellt sich bei uns ein menschliches Verlangen nach Erleichterung ein. Also ab zu der Örtlichkeit, wo auch der Papst zu Fuß hingeht. Und auch wenn man den Papst hier nicht trifft, sind die Toiletten im Pullman trotzdem auf jeden Fall einen Besuch wert. Und zwar nicht nur wegen der Erleichterung, sondern auch weil man zumindest bei den Herren über den Pissoirs Zitate des berühmten Kölner Gelehrten Bäätes, der Jroße (Albertus Magnus), zu lesen bekommt. So zum Beispiel: „Quod abiit abiit“, was ins Kölsche übersetzt so viel heißt wie: „Wat fott es, es fott!“ oder hochdeutsch „Was weg ist, ist weg!“

Gestärkt durch den gerade auch rein praktisch erlebten Wahrheitsgehalt dieser Weisheit kämpfen wir uns wieder von Neuem durch das umtriebige Jewöhl in Jimmy´s Bar. Es geht auf drei Uhr an, und Freund Günter erinnert mich dankenswerter Weise daran, dass auch ein altgedienter Recke nach tapfer geschlagener Schlacht seinen Schlaf braucht.
Schon im Herausgehen begriffen treffe ich meinen Kumpel Heiko. Heiko ist gebürtiger Friese, lebt aber nun mit seiner Frau Diana in Köln. „Und, seid Ihr Zwei mittlerweile heimisch geworden?“, frage ich empathisch nach. Diana wippt derweil derart begeistert mit den Hüften und zur Decke geballten Fäusten zu „Stonn op un danz“ von Querbeet, dass sich die Antwort auf meine Frage erübrigt.
Genau in diesem Moment wird mir klar, dass der Kampf gegen Muckertum und Griesgram nicht umsonst ist – zumindest für heute. Denn eine gewonnene Schlacht ist noch kein gewonnener Krieg! Also morgen auf ein Neues – wir sehen uns.