Marita Köllner – Nicht das Publikum, der Literat (Nicci)

Ein Tag, auf den ich mich besonders gefreut habe, war der, an dem ich Marita Köllner zum Interview traf. Eine der wenigen Frauen, die im kölschen Showgeschäft Fuß gefasst haben und auf eine sehr lange Bühnenkarriere zurückblicken können. Und wenn es heißt: „Denn mir sinn kölsche Mädcher“, ist auch die heutige Jugend text- und taktsicher.

Unser Treffpunkt ist Maritas Kneipe des Vertrauens „Thiebolds Eck“ in der Nähe vom Neumarkt. Ein urig gemütlicher Laden, der die perfekten Bedingungen für ein Interview bietet. Marita hat für uns reserviert. Die Kneipe ist quasi ihr zweites Wohnzimmer. 

Die erste Runde Erfrischungsgetränk wurde serviert und ich startete wie auch bei meinen vorigen Interviews mit der Frage:
„Was ist dein erster Gedanke zum Thema „Frauen im Karneval“?“

„Arschkarte!“ – Punkt. 

Es gab eine Schweigesekunde und dann ein herzliches Lachen von Marita.

„Naja, wir sind im Karneval zwar schon ziemlich weit, aber noch nicht so weit, dass eine Frau auf der Bühne so akzeptiert wird wie ein Mann. Als Frau musst du dich beweisen und vor allem zehn mal besser sein als die Konkurrenz. Sonst haste verloren.“

Herzensbilder Joachim Rieger Marita Köllner

Mir gefällt, dass Marita direkt mit der Tür ins Haus fällt und ganz klar Position bezieht. Immerhin ist sie schon seit 53 Jahren im Fastelovend auf der Bühne und hat dementsprechend viele Höhen und Tiefen in dem Geschäft erleben dürfen – oder auch müssen. Und auf genau diese Erfahrungswerte habe ich es abgesehen. Ich möchte wissen, durch welche Talfahrten sie während ihrer Karriere reisen musste, was sie stark gemacht hat und was sie den Frauen, die den gleichen Weg anstreben, mitgeben möchte.

Ihre Karriere begann sie als Büttenrednerin.

„Ich war ein sehr junges Mädchen und hatte damals schon irre viele Steine in den Weg gelegt bekommen, indem man mir sagte, was ich sagen darf und was nicht. Vor allem als Frau sollte ich manche Themen wie z.B. Politik nicht in den Mund nehmen.“

Als sie dann vom Sprechen zum Singen kam, wurden erneut die Stacheln ausgefahren. Sie solle doch lieber weiter Reden halten und nicht singen. 

„Das war eine Taktik, um mich klein zu halten. Als ich noch mit schlimmer Nervosität zu kämpfen hatte, wurden hinter der Bühne von Vorstellabenden Wetten abgeschlossen, ob ich den Auftritt hinbekomme oder mich blamiere. Ich bin richtig gemobbt worden!“

Marita ging es dadurch teilweise sogar richtig schlecht. So schlecht, dass sie nicht mehr weiter machen wollte. Aber sie tat es trotzdem.

Herzensbilder Joachim Rieger Marita Köllner

„Dank meiner Leidenschaft für den Karneval habe ich Niederschläge überstanden und auch Stärke entwickelt. Wenn mir jemand meinen Erfolg nicht gönnen kann, soll es mir egal sein.“

Maritas Liebe für den Karneval ist so groß, dass sie sich durch nichts auf der Welt davon hätte abbringen lassen, diesen so zu zelebrieren, wie es ihr in den Sinn kommt. Noch nicht mal ein Mann wäre es ihr wert gewesen, den Karneval und das kölsche Lebensgefühl einzuschränken oder gar aufzugeben. Sie ist auch überzeugt davon, dass ihr diese Einstellung geholfen hat, das Durchhaltevermögen für das Business aufzubauen.

„Die Kölsche Mentalität ist sehr wichtig für die Karnevalsbühne. Nur mit kölschem Hätz und Seele hält man das aus.“

Diese Mentalität und Einstellung fehlt ihr bei vielen Künstlern heutzutage. 

„Man muss zwar kein Kölner sein, um das echte kölsche Lebensgefühl zu entwickeln, allerdings kommen viele in den Karneval, weil sie dort eine Karriere wittern. Das spürt das Publikum.“

Und trotzdem denkt Marita nicht, dass es an den Zuschauern liegt, weshalb viele Frauen Schwierigkeiten haben auf die Kölner Bühnen zu gelangen.

„Wenn ich auf die Bühne komme, dann rocke ich das. Die Stimmung ist toll und die Veranstalter zufrieden! Es sind die Literaten, die einem hier die größten Schwierigkeiten bereiten.“

Marita erzählt mir von Veranstaltungen, bei denen sie über Jahre hinweg aufgetreten ist. Als der Literat des Vereins gewechselt hat, blieben die Buchungen aus. Auf ihr Nachhaken erhielt sie Antworten wie: „Du bist keine Gruppe und eine Frau. Wo soll ich dich denn einsetzen?“, „Für uns bist du zu alt.“ oder „Wir haben schon eine Frau im Programm. Zwei sind zuviel.“

Das ist nicht nur diskriminierend, sondern auch sexistisch. Und es wäre eine Erklärung dafür, weshalb die weiblichen Künstlerinnen im Karneval Schwierigkeiten haben. Die festgefahrenen Ansichten diverser in Verantwortung stehender Männer gingen auch schon durch die Medien. So durfte sich eine Frau Kühne zum Beispiel einst anhören, sie sei nicht „Funkenkompatibel“. 

Und ich persönlich habe auch keine Zweifel, dass diese Einstellung weiterhin vorhanden ist. Natürlich verdeckt. Denn der Kölner und Karnevalist ist nach vorne hin weltoffen und tolerant jedem gegenüber.

Klar, die Aufgabe eines Literaten ist es in erster Linie, ein gutes Sitzungsprogramm zu kredenzen und somit den Kartenverkauf der Veranstaltungen anzukurbeln. Bei Kartenpreisen von bis zu 60 € darf der Zuschauer auch was erwarten. Also sucht man sich für seine Veranstaltung sichere Pferde aus den Top Ten der besten Sitzungsprogramme. Dazwischen wird wenig Platz für Newcomer oder Experimente gelassen. So zumindest meine Beobachtungen.

Marita möchte Frauen trotzdem Mut machen.

„Wir werden belächelt, weil wir emotionale Texte singen. Kein Mann kann die Gefühle der Frauen verstehen, deswegen können nur wir sie vermitteln.“

Eine Stärke, die Frauen nutzen sollten. Und wenn man diese Eigenschaft besitzt und ebenfalls die vorab erwähnte kölsche Courage braucht man „nur“ noch eine große Ladung Durchhaltevermögen.

Vielen Dank, liebe Marita, für diese Worte und deine Zeit. Wer, wenn nicht du, könnte unseren Mädels im Fasteleer Mut zusprechen! Ich hoffe deine Rolle als „Botschafterin der Frauen“ kommt an.

Session 2017, Köln Karneval, Kölner Karneval 2017

Bildnachweis: Selfie: Nicci Haumann, Fotos Marita Köllner: Joachim Rieger