Miljöhsitzung bei den Ostermännern (Lisa)

Nach zwölf Jahren als aktive Tänzerin im Karneval war es soweit und ich durfte auch mal eine Kölner Sitzung miterleben, ohne gleich wieder auf den nächsten Auftritt zu müssen – die Miljöhsitzung der Willi Ostermann Gesellschaft. Doch alleine auf eine Karnevalssitzung zu gehen, ist ja langweilig. Also musste auch mein Freund Mark mit. 

Was ist eigentlich eine Milijöhsitzung? In der App hatten wir noch andere Veranstaltungen der Gesellschaft gesehen. Wo lagen da nur die Unterschiede? Gut, zwischen Herren- und Mädchensitzung war der Unterschied klar. Nur als Funkemariechen aus dem Umland von Köln wusste ich zunächst nicht, wie sich die anderen Sitzungen unterscheiden. Also machte ich mich erst einmal schlau: Eine Miljöhsitzung ist eine Sitzung mit familiärer Atmosphäre mit erschwinglichen Preisen für Jedermann. Besondere kölsche Akzente sollen hier gesetzt werden.

Erste mal auf einer richtigen Sitzung

Am 31.01. war es soweit. Unsere Kostüme hatten wir gut durchdacht, ich als Clown und Mark im 20er-Jahre-Stil. Noch schnell ein bisschen Schminke ins Gesicht – nicht zu vergessen – Glitzer. Es kann nie zu viel Glitzer geben! So machten wir uns auf den Weg zum Maritim Hotel. Ich war schon ganz aufgeregt, wie die kommenden Stunden werden würden. Als wir ankamen, standen noch viele Leute vor dem Saal, um das erste Kölsch oder einen Sektchen zu trinken. Umgeben von anderen Menschen in Kostümen, die wirklich liebevoll durchdacht waren, fühlten wir uns direkt wohl. Eine Band im Vorraum stimmte die Menge langsam auf die Sitzung ein.

Mark und ich gingen in den Saal, die Location war wirklich toll! Ein Theatersaal mit Empore und passendem Bühnenbild zum Motto der Session 2020. Ein Clown, der ein Herz mit dem Motto „Et Hätz schleiht em Veedel“ hält, hing über der Bühne. Der Saal füllte sich langsam und auch wir suchten uns im ausverkauftem Maritim unser Plätzchen. 

Bevor der Elferrat auf die Bühne trat, kündigte Sitzungspräsident Ralf Schlegelmilch die Kinder des Tanzcorps „Original Tanzgruppe Kölsch Hännes´chen 1955 e. V.“ an, die die hauseigene Tanzgruppe sind. Die kleinen Pänz in ihren Bärbelchen-Kostümen waren wirklich süß anzusehen. 

Blaue Funken

Mit dem Korps der Blauen Funken marschierte auch der Elferrat der Willi Ostermann Gesellschaft ein. Die Blauen Funken feiern in diesem Jahr 150-jähriges Jubiläum und kamen mit alle Mann. Sie passten kaum auf die Bühne. Wahnsinn, ich wusste gar nicht, dass es so viele sind. Schon der Aufzug schien kein Ende zu finden. Zu Beginn ihres Programms spielten sie ein Potpourri zu Ehren ihres Jubiläums. Ihr Mariechen und ihr Tanzoffizier hatten ebenfalls einen Jubiläumstanz einstudiert. Vor allem der Hut des Mariechens gefiel mir gut, da die Federn so üppig waren und das Ganze wirklich schön aussah. Von der Treppe der Empore hatten Mark und ich einen super Blick auf die Bühne. In der Zwischenzeit stellte der Sitzungspräsident einige Gäste vor, und erklärte, dass wir hier keinen Coronavirus hätten, sondern nur einen Karnevalsbazilllus.

Kasalla

Die Blauen Funken hatten den Saal schon mal gut in Stimmung für den Abend gebracht. Der nächste Act sollte wohl ein Musikact werden, denn auf der Bühne fanden ein paar Umbauarbeiten statt. Bisher war ich nur auf Sitzungen im Umland gewesen, aber auch da kannte man Kasalla. Doch solch eine gute Stimmung zu Anfang einer Sitzung kannte ich bisher nicht. Die Menschen standen neben ihren Stühlen und sangen die Lieder von Kasalla sofort mit. So schnell geht das im Kölner Karneval, schwupps waren wir bei unseren Nachbarn eingehakt und schunkelten zusammen. Also von alleine fühlen keine Spur! So wie es im Karneval eben sein soll.

 Liedsänger Basti betonte, dass ziemlich kaputte Menschen da draußen rumliefen, die ihre Lieder für ihre Zwecke missbrauchen würden. Er rief auf, an diesem Abend ein Zeichen gegen Rechtsextremismus zu setzen.

Spaß an dr Freud

Der nächste Act war „Dä Tuppes vum Land“, der die brandaktuellen Themen wie den Brexit anstieß. Das Publikum hörte aufmerksam zu und brachte die Reime mit dem Künstler zu Ende. Es war wirklich schön zu sehen, wie die Menschen es genossen an diesem Ort zu sein und den Künstlern auf der Bühne ihre Aufmerksamkeit schenkten. Aus meiner Zeit als Mariechen wusste ich, dass es so schön ist, wenn die Menschen im Publikum einfach Spaß haben. Dafür arbeitet man hart das ganze Jahr.

Einmal kurz raus, ein kühles Kölsch auf die Hand und die Roten Funken stellten sich schon auf … Was da wohl gleich auf die Bühne kommt? Nun, das Dreigestirn war eingetroffen und wurde kräftig begrüßt. Bisher hatte ich das Dreigestirn nur im Fernsehen gesehen, aber noch nie live. Das war wirklich schön. In diesem Jahr wird das Dreigestirn vom Reiter-Korps „Jan von Werth“ von 1925 e.V. gestellt.

Dreigestirn mit den Rote Funke

Bei ihren Liedern wurden sie von den Roten Funken musikalisch unterstützt und hatten mächtig Spaß auf der Bühne. Nach ein bisschen Verzäll packte dann noch Prinz Christian II. seinen Dudelsack aus. Auch der Sitzungspräsident Ralf Schlegelmilch freute sich sehr, da dies etwas Besonders sei. Eigentlich wollte sie niemand so richtig von der Bühne lassen, aber sie mussten nun weiter …

Bisher hatte die Sitzung schon den Charakter, den ich aus unserem Städtchen kannte, nur viel größer. Und auch wenn wir hier kaum jemanden kannten, fühlten wir uns sehr wohl. So wurden auch besondere Gäste mit einem Orden geehrt. Einmal der FC-Präsident Werner Wolf und der Vorsitzende des FC-Mitgliederrates Stefan Müller-Römer.

Wer ist die StattGarde Colonia Ahoj

Angesichts der Männer in Marineuniformen und der Fahne der StattGarde Colonia Ahoj, fragte man sich, was kommt denn jetzt? Wir hatten schon auf der Website der Gesellschaft ein bisschen geschaut, welche Acts an diesem Abend gezeigt werden, und waren nun sehr gespannt.  Mancher wird mir sicher den Kopf abreißen, dass ich zunächst nicht wusste, wer diese Truppe war. Mit alle Mann zogen sie auf die Bühne und Kommandant André Schulze Isfort erklärte nach dem ersten Marsch, dass sie sich freuen dabei zu sein und das Spektakel nun beginne.

Der Dirigent war schon amüsant anzusehen, er sprang hin und her und schien die Musik in diesem Moment wirklich zu fühlen. Mit einem Trommler schafften die zwei einen tollen Abschluss mit irrem Körpereinsatz. Nach dieser Darbietung wurde gesungen. Ein richtiger Männerchor beziehungsweise ein Shanty-Chor. Das hatte ich bisher auf einer Karnevalssitzung noch nie gesehen. Schon nach der zweiten Nummer war klar, die reißen die Menge mit. Die Männer der Stattgarde Colonia Ahoji hatten aber noch etwas in ihrem Programm: eine Tanzeinlage. Ich muss schon sagen, dass diese Beine als die heißesten der Stadt gelten, ist durchaus berechtigt. Die Zehenspitze gestreckt und eine Figur nach der anderen. Die Männer bekamen die Beine hoch – wirklich einmalig. Nicht ohne Grund wurde die erste Zugabe des Abends gerufen.

Ein Highlight jagte das nächste und schwupps waren auch schon die Paveier auf der Bühne. Nach ein, zwei Liedern betonte Sven Welter, dass wir den Rechten keine Chance geben dürften, uns einzuschüchtern. Dass es traurig wäre, dass einige aus der rechten Szene die kölschen Lieder für ihre Zwecke missbrauchen würden. An diesem Abend war dies der zweite eindringliche Appell an die Menschen, die den Karneval lieben.

Hännes´chen und Bärbelchen

Nach der Pause kam das Tanzkorps der Gesellschaft, „Kölsch Hännes´chen 1955 e.V.“, in den Saal. Die Jungs und Mädchen sahen ganz anders aus als die Tanzgarden, die ich so kannte. Die Truppe verkörpert kölsche Urgesteine aus dem 18. Und 19. Jahrhundert. Ich war gespannt.

Ein kleiner Mann mit grauen kurzen Locken und einem Mikrophon in der Hand machte sich auf den Weg zur Bühne. Er stellt die Figur Breuer’s Lei, eines der kölschen Originale, dar und begleitet als Sänger die Tänze mit kölschen Evergreens. Von den restlichen individuellen Figuren erkannte ich ein Kostüm sofort. Das Mädchen im Sitzen auf der Hand eines Jungen. Das konnten nur Bärbelchen und Hännes´chen sein. Diese Truppe bestand aus verschiedenen kölschen Figuren, die alle ihre Rolle spielten und zusammen tanzten. Nein, das war kein „normaler“ Gardetanz, aber es war so schön, die Einzelheiten der Kostüme zu sehen. Man merkte, das in diesem Tanzkorps wirklich Herzblut schlummerte. Das waren echte kölsche Akzente, die man wohl woanders nicht so leicht zu sehen bekommt. 

Eine lyrische Rapeinlage

Nächster Programmpunkt war ein Redner, Martin Schoops, ein sehr sympathischer Mann. Vom Outfit her hätte man nicht direkt auf einen Karnevalisten schließen können. Ein blau bedrucktes Hemd und eine Schiebermütze auf dem Kopf. Doch Martin Schoops brachte alle im Saal zum Lachen. Es war wirklich angenehm ihm zuzuhören. Mit einem langen Rap-artigen Reim zum Thema Veedel in Bezug auf Lyrik hatte wirklich jeder etwas zu lachen. 

Im Anschluss wurde eine Showtanzgruppe angekündigt. „High Energy“ waren schon sechsfacher deutscher Meister im Showtanz. Wir waren sehr gespannt. Von oben sahen wir, dass sich im Gang die Mädels und Jungs aus Euskirchen im Indianerkostüm hingehockt hatten. Als die Musik losging, begann schon ihr Aufmarsch. Früher war ich nie so ein Fan von Showtanz gewesen, doch das hatte sich mittlerweile geändert.

Ich mochte diese Formationen und die Ideen dahinter. Auf der Bühne angekommen, mischten sie den Saal noch einmal richtig auf. Es war mittlerweile schon spät, aber zu müde zum Feiern war zum Glück noch niemand. Die Akrobatik war wirklich Weltklasse. So eine Truppe live und in Farbe hatten Mark und ich noch nicht gesehen. Besonders hervorzuheben war eine Figur mit großen bunten Flügeln auf dem Rücken einer Tänzerin, auf einem Turm aus Menschen. Aber auch die Gesangseinlage einer Tänzerin war wirklich toll, sie sang bekannte Songs wie u.a. Helene Fischer´s „Achterbahn“ und kam sogar ins Publikum und auf die Tische der Zuschauer. 

Der Abend neigt sich dem Ende zu

Langsam neigte sich auch diese Sitzung dem Ende zu, doch ein paar Acts sollten noch kommen, um ein tolles Finale zu feiern. Die Showtanzgruppe hatte alle noch einmal richtig wach gemacht, als die Bandmitglieder der Klüngelköpp auf die Bühne traten. Nach einigen Liedern gab es etwas Besonderes zu sehen. Sie hatten einige Trommeln aufgebaut und gaben mit Lichteffekt und einer Trommelformation einen super Auftritt ab. Es blieb bei der Musik auf der Bühne. Wer die Domstürmer kennt, weiß, die haben gute Laune im Gepäck. Mit ihren Songs machten sie im Saal noch einmal richtig Stimmung. Die Menschen tanzten bis vorne an die Bühne, sodass der Liedsänger Micky Nauber zu ihnen hinunterkam und mit ihnen zusammen sang. 

Mitschunkeln ausdrücklich erwünscht

Bei den Räubern kribbelten auch bei Mark und mir die Tanzbeine und wir tanzten noch zum Schluss auf das Lied „Komm loss jonn“. Nach dem letzten Act wurden alle „Ostermänner“ im Saal aufgefordert auf die Bühne zu kommen. Ralf Schlegelmilch läutete die Tradition ein, gemeinsam das Lied „Heimweh nach Köln“ von Willi Ostermann zu singen. Das fanden wir eine sehr schöne Tradition, dass nochmal alle gemeinsam auf der Bühne stehen und ihren Zusammenhalt und die Liebe zum Karneval präsentieren. 

Damit endet ein wirklich gelungener Abend, an dem wir uns auf dieser Miljöhsitzung nicht einmal fremd vorgekommen sind. Ich bin wirklich sehr dankbar, dass ich diese Erfahrung machen durfte und ein paar neue Eindrücke sammeln konnte. Es beweist, dass der Karneval uns alle einlädt, ihn zu teilen und mit Menschen in Kontakt zu treten und die Scheu anderen gegenüber zu verlieren.

Bildnachweis: Alle Fotos © Lisa Klose