Auf Abstand zusammen – Rote Funken an Allerheiligen (Brigitte)

Wie beginnt man eine Karnevalssession, deren Verlauf völlig unklar ist? Mit einer Tradition, die einem wichtig ist. Und so starten die Roten Funken wie jedes Jahr an Allerheiligen mit ihren Totengedenken am Funkengrab in die neue Session, nur anders als sonst. 

Es ist Allerheiligen früh am Morgen, auf Melaten sind erst wenig Besucher unterwegs. Am Haupteingang trifft sich eine kleine Gruppe Roter Funken, der erweiterte Vorstand mit Tanzpaar, Knubbelführern, Senatsvorstand und Ältestenrat sowie die Rekruten des kommenden Jahrgangs. Für alle andern wird der Sessionsbeginn per Livestream übertragen. Es ist schließlich Coronazeit.  

Als der Flötist „Wer nur den lieben Gott lässt walten“, anstimmt, setzt sich die kleine Gruppe mit Plaggen und Trauerkranz zur Gedenkstätte in Bewegung. Ein Streicherquartett stimmt musikalisch auf die Gedenkfeier ein und Pastor Johannes Quirl spricht über diese verstörende Zeit zwischen Hoffen und Bangen. 

Durch seine Worten wird noch einmal unterstrichen, warum dieser Tag den Roten Funken so wichtig ist. Am Funkengrab wird die Erinnerung an die verstorbenen Funkenfreunde wach gehalten. Das ist gerade in einer Zeit, in der man verstorbenen Kameraden nicht das letztes Geleit geben konnte bzw. durfte, in der man nicht nach dem Begräbnis zusammensitzen und das eine oder andere Erlebnis noch einmal lebendig lassen werden konnte, um so wichtiger. Dies gibt zugleich jedem persönlich das gute Gefühl auch selber nicht vergessen zu werden. Es schweißt zusammen, denn ansonsten heißt es in Coronazeiten: Knubbelverbot!

Und Zusammenhalt ist es etwas, dass die Roten Funken in ihrer DNA verwurzelt sehen. Einen Satz, den man von Präsidenten Heinz-Günter Hunold immer wieder aufs Neue hören kann. Er erinnert an den Präsidenten Theo Schaufuss, der sich während des Ersten Weltkriegs aufopfernd um seine Kameraden gekümmert und ihnen jede Woche ein Paket mit Tabak, Schokolade und Zigaretten an die Front in die Schützengraben geschickt hat. Viele Pakete hatte er sogar aus eigener Tasche bezahlt. Das haben ihm seine Roten Funken nie vergessen und nach seinem Tode für ein Grabmal gesammelt, das genau vor 100 Jahren, an Allerheiligen 1920, eingeweiht wurde. So beginnen Traditionen.

1920 aber war aus heutiger Sicht, so Hunold weiter, ein besonders Jahr, denn auch damals wütete eine Pandemie. Der Spanischen Grippe sind weltweit 25-50 Mio. Menschen zum Opfer gefallen und die Bilder und Nachrichten der damaligen Zeit sind genauso erschreckend wie die von heute. Doch die wirtschaftliche Lage war in den 1920er Jahren weitaus desaströser, die politische Lage instabiler, Karneval war verboten und der Rosenmontagszug sogar bis 1926 untersagt. Wenn wir uns das alles vor Augen halten, sagt Hunold, müssten wir doch die jetzigen Herausforderungen meistern. Denn verglichen mit damals leben wir in einer gesegneten Zeit. Und er fordert seine Roten Funken auf, ein Zeichen zu setzen und mit den Problemen kreativ umzugehen und wie damals Theo Schaufuss den Kameraden im Kriegsgraben heute den Menschen ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern. Denn so lassen sich Sorgen des Alltags besser verdauen!

Mit Et Klimpermännche“ Thomas Cüpper  und Ostermanns „Ich ben vun Kölle am Rhing ze Hus“  geht die Gedenkfeier zu Ende. Warum beginnt man eine Session mit Erinnerung, mit Gedenken und Trauer? Darauf hat Hunold eine Antwort gegeben: „Der Spass im Fastelovend, die Ausgelassenheit und die Freude daran erfahren eine andere Tiefe, wenn wir uns bewusst machen, dass Freude und Trauer zusammenhängen und einander bedingen.“ Das hat in einer Session wie dieser, deren Verlauf keiner vorsagen kann, eine ganz besondere Bedeutung.

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