„Uns Sproch es Heimat“ – Gespräch mit Dino Massi und Juri Rother (Brigitte)

Wir haben in dieser Session ein Motto, zu dem sich unendlich viel sagen lässt. Es geht um Sprache und den nicht nur im Kölner Karneval viel diskutierten Begriff „Heimat“. Die Band Planschemalöör startet gerade im Karneval so richtig durch und hat mit ihrem Song „Heimat“ einen Hit gelandet, der das kölsche Herz getroffen hat. Dino Massi führt mit seinem schönen italienischen Akzent eines der großen Traditionskorps im Kölner Karneval, die Prinzen-Garde, und das so erfolgreich, dass er in diesem Jahr per Akklamation mit 100 Prozent der Stimmen wiedergewählt worden ist. Das ist vermutlich einmalig im Fastelovend! Die Appsolutjeck–Redaktion hat die beiden besucht und mit ihnen über Sprache, Heimat und ihr kölsches Lebensgefühl gesprochen …

AppsolutJeck: Dino, Du sprichst gar kein Kölsch und Deutsch ist nicht Deine Muttersprache. Wie ist Dein Zugang zum kölschen Herz?

Dino: Ja, in der Tat, ich spreche kein Kölsch, aber ich lebe nach dem kölschen Grundgesetz „Et hät noch immer jot jejange!“ Ich bin als kleiner Fetz mit fünf Jahren aus Italien nach Köln gekommen und lebe hier seit 45 Jahren. Das Schöne und Faszinierende an den Kölnern ist, dass man hier unabhängig von Hautfarbe oder Herkunft etwas werden kann, wenn man etwas kann. Und das ist für mich wirklich das Tollste, was ich erlebt habe und immer noch erlebe.

Dino Massi Präsident der Prinzen-Garde im Interview mit AppsolutJeck

AppsolutJeck: Juri, Euer Song „Heimat“ war sozusagen der Impulsgeber für dieses Gespräch. Darin singst du „Egal woher du kütts, du bes kölsch, wenn du et föhlst“. Was bedeutet für Dich Sprache?

Juri: Mit Sprache kann man ganz schön viel ausdrücken. Es ist das schnellste Mittel, um jemanden zu zeigen, wie es einem geht. Im Endeffekt ist der Geburtsort zweitrangig, wichtig ist, da wo du deine Liebsten hast, wo du dich wohl fühlst, das ist Heimat und nicht da, wo du geboren wurdest. Darum geht es größtenteils in diesem Lied „Heimat“. Und wenn man das mit der Sprache verbindet – man hat es gerade bei Dino gehört, er spricht vielleicht kein Kölsch, aber er probiert’s. Im Endeffekt ist es das, was zählt, und alles andere ist zweitrangig.

AppsolutJeck: Ihr seid beide in Köln und auch im kölschen Fastelovend zu Hause! Vielleicht erzählt ihr ganz kurz, wie ihr zum Karneval gekommen seid.

Dino: Als gebürtiger Italiener in Colonia, der nördlichsten Stadt im römischen Reich, war mir der Carnevale natürlich schon immer ein Begriff (lacht). Ich bin durch einen Paten zum Karneval gekommen, der für mich gebürgt hat, und nun schon seit 20 Jahren bei der Prinzen-Garde. Ich bin stolz und es ist mir eine Ehre, in dieser traditionsreichen Karnevalsgesellschaft dabei sein zu dürfen. Vor der Prinzen-Garde gab es eigentlich kein wirkliches Karnevalsleben, weil ich zum Straßenkarneval keinen richtigen Bezug hatte.

Ich muss gestehen, nachdem ich bei der Prinzen-Garde unterschrieben hatte, wollte meine Frau nicht glauben, dass ich Mitglied in einer Karnevalsgesellschaft geworden bin. Weil ich bis dahin mit Karneval nicht viel am Hut hatte. Als ich dann sechs Monate später mit der Uniform nach Hause kam, schien wieder die Sonne (lacht).

Jetzt ist das komplett anders, ich habe das ganze Jahr über Karnevalstermine. Die Vorbereitungen laufen das ganze Jahr, wir sind jetzt schon in der Programmgestaltung für 2022. Wir treffen uns mehrmals im Monat, ob Korpstreffen, Vorstands-, Aufsichtsratsitzungen, Turmabende, wir haben fünf Weihnachtsfeiern, man kann sich nicht wirklich langweilen.

AppsolutJeck: Du besingst in „Heimat“ sehr eindringlich ein Gefühl.
„Ich ben he jebore
 Han die kölsche Sprooch geliert ,, Ävver trotzdem frööch mich jeder, Jung, wo küss do her …“
Hast du dabei eigene Erfahrungen verarbeitet?

Juri: Teils, teils. Ich bin in einem Dorf groß geworden, außer mir gab es da keinen dunkelhäutigen Jungen. Du bist irgendwie Außenseiter, aber nicht wirklich, weil die Leute auch sehr offen sind. Viele Leute sind schon überrascht, dass ich überhaupt Deutsch spreche. Ich werde manchmal auf Englisch angequatscht. Und wenn ich dann noch anfange, in einem Dialekt zu sprechen, ist das für die Leute natürlich befremdlich. Ich hab dafür Verständnis, mir würde das ganz genauso ergehen. Auf mich kam zuletzt ein großer Schwarzer zu und fing an sächsisch zu reden. Ich musste so schmunzeln und habe mich selber dabei erwischt und dachte, so geht es also anderen, wenn ich anfange Kölsch zu singen. Man kann da, glaube ich, Menschen ganz charmant die Augen öffnen. In diesem Song stecken schon meine ganz persönlichen Erfahrungen, was mir alles so passiert ist. Das hat natürlich immer einen fiesen Beigeschmack. Man gehört nicht dazu, obwohl man alles genauso macht, was andere auch machen, aber das macht einen eher stark.

Juri von Planschmalör im Absolut Jeck Interview Portrait

Ich bin gar nicht so krass im Karneval aktiv wie Dino zum Beispiel. Ich mache Musik. Wir spielen natürlich im Karneval, weil es Songs gibt, die passen gut rein. Ich feiere gerne Karneval, aber dann Straßenkarneval. Ich war auf vielen Zügen und feiere in Kneipen. Im Moment kriege ich natürlich ganz schön viel Input, wenn wir auf Sitzungen auftreten.

 

AppsolutJeck: Wie seid Ihr zur kölschen Musik gekommen?

Juri: Wir haben auf Hochdeutsch Musik gemacht, aber eher düstere Musik, Indie-Pop, waren national ganz viel unterwegs und irgendwann hatte ich eine Schreibblockade durch diese viele Fahrerei. Ich kam irgendwie nicht zum Schreiben, fand alles doof, was ich gemacht habe, und habe dann einen Kumpel getroffen: Dennis Müller, der bei Lax spielt, einer kölschen Band. Es war mitten in der Session, er war schon ziemlich fertig und beim Essen meint er „Du auf Kölsch, das wäre so witzig“. „Ich könnt das schon mal machen“, habe ich gesagt und am selben Tag noch einen Song geschrieben. „Mer lääve nur einmol“ heißt der, habe den an Kevin Wittwer von Cat Ballou und Jens Streifling von den Höhnern geschickt, um einfach nur mal zu hören, wie der ankommt. Die beiden waren begeistert und so haben Pierre, der bei uns Gitarre spielt, und ich uns in ein Studio eingebunkert und innerhalb eines Monats fünf bis sechs Songs geschrieben. Dann kam die Anfrage von Cat Ballou, mit auf Tour zugehen. Dazu brauchten wir eine Band, einen Namen, ein Outfit und dann ging alles ganz, ganz schnell.

AppsolutJeck: Kann man auf Kölsch besser schreiben als auf Hochdeutsch?

Juri: Nicht unbedingt, es gibt Wörter auf Kölsch, die sind unheimlich schön, die kann man ganz toll singen. Es gibt auch Wörter, die einem gerade als junger Mensch so etwas Altbackenes verleihen. Im Endeffekt ist Musik für mich Kunst, es geht um Ästhetik und wenn ein Song besser funktioniert, weil ich darin hochdeutsche Wörter benutze, ist das völlig in Ordnung. Ich mache mich da frei von zu viel Druck. Das ist ein generelles Thema in der Musikszene, wie kölsch es sein muss, damit es kölsche Musik ist. Da versuche ich mich frei von zu machen. Wenn ich Kölsch benutze, soll es richtig sein. Aber es muss nicht. Tiefstes Kölsch wäre auch unauthentisch, das bin ich nicht.

AppsolutJeck: Du brauchst eigentlich gar kein Kölsch. Du bist mit dem ganzen Herzen im Fastelovend dabei, setzt dich mit Herzblut für Deine Prinzen-Gardisten ein und wirst gerne als der kölschester Italiener bezeichnet. Wie ist es für Dich, bist Du noch Italiener oder schon ´ne kölsche Jung?

Dino: Ich würde sagen, nach so vielen Jahren, die ich hier lebe, bin ich beides. Ich fühle natürlich noch wie ein Italiener und ich fühle auch wie ´ne kösche Jung. Ich mag als Italiener Pasta und Vino, auf der anderen kölschen Seite Flönz, halve Hahn und Kölsch. Man versucht beides mitzunehmen und zu ummanteln. Wer mich mag, mag mich so, wie ich bin. Jeder hat seine Stärken und Schwächen.

AppsolutJeck: Juri, ihr schreibt „Egal ob es ein Ort, ein Gefühl oder eine Person ist: Jeder Mensch entscheidet für sich wo, wer oder was „Heimat“ ist.“ Und genau das habt ihr beide, Dino und Juri, gerade wunderbar rübergebracht, dass Köln für euch Heimat ist, es dabei völlig egal davon, ob man Kölsch reden kann oder nicht, sondern dass es ein Gefühl ist. Ihr fühlt euch in dieser Stadt zu Hause, mit dem was ihr tut und ihr werdet auch so angenommen.

Juri: Gerade in jetzigen Zeiten denke ich oft, lasst doch jeden selber entscheiden, wo er sich zu Hause fühlt und was für ihn Heimat bedeutet! Und je mehr Beispiele es gibt, die das genauso leben, um so besser. Hier sitzen ja schon mal zwei. Es gibt so viele Arten zu leben und zu sprechen!

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