Marcus Gottschalk: Das Dreigestirn ist Aushängeschild

Blickt man auf die letzten 200 Jahre Kölner Karneval zurück, so hat sich auch beim Dreigestirn viel verändert. Angefangen hat alles 1823 mit dem „Held Karneval“ und erst in den 1880er Jahren wurde aus Prinz, Bauer und Jungfrau ein jeckes Trio. Der Begriff „Dreigestirn“ taucht sogar erst 1937 auf. Marcus Gottschalk, Ex-Prinz der Session 2012 und seit zehn Jahren für das Protokoll des Kölner Dreigestirns zuständig, weiß viel über die Tradition des Dreigestirns zu erzählen.

Das Jecke BKB Trio

 

 

 

Wie hat sich das Dreigestirn entwickelt?

Als man 1823 dem Karneval eine Struktur, eine gewisse Ordnung geben wollte, brauchte man eine Figur, um die sich alles drehte. Und das war der Held Karneval, der mit Krone und Hermelinmantel im Grunde wie der Kaiser aussah. Er war der personifizierte Karneval und sollte „die Erbärmlichkeit des gewöhnlichen Treibens aufgrund seines edlen Charakters wieder in gewünschte Bahnen leiten“. Anfangs wurde dem Helden mit der Venetia auch eine Prinzessin an seine Seite gestellt. Diese Figur verschwand aber wieder recht schnell aus dem Kölner Karneval. 

Bauer und Jungfrau hatten damals nichts mit dem Karneval zu tun. Sie waren Figuren aus der mittelalterlichen Stadtgeschichte und traten nur dann im Karneval in Erscheinung, wenn sie sich irgendwie ins Motto integrieren ließen. Im Laufe der Jahre wurden Bauer und Jungfrau zu festen Figuren. Sie traten immer gemeinsam auf und wurden dem Helden, der ab 1870 Prinz hieß, seit 1883 stets zur Seite gestellt.

Bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs trat das Dreigestirn nur in der eigentlichen Karnevalswoche auf. Wurde es anfangs auf der Sitzung der Karnevalsgesellschaft, aus der der Prinz stammte, vorgestellt, fand ab 1936 eine richtige Inthronisation an Weiberfastnacht mit der Proklamation in der Messe statt. Der Oberbürgermeister übergab symbolisch die Macht an den Prinzen mit der Überreichung von Pritsche und Belle.

Erst viele Jahre später bekamen auch Bauer und Jungfrau bei der Proklamation Insignien überreicht. Oberbürgermeister Norbert Burger war es, der in der Session 1989 erstmals die Stadtschlüssel als Insignie für den Kölner Bauern einführte. 1993 erhielt die Kölner Jungfrau zum ersten Mal den Spiegel.

Wie hat sich die Bewerbung als Dreigestirn verändert?

Viele Jahrzehnte war das Jubiläum einer Gesellschaft entscheidend. Heute gibt es ein richtiges Casting. Die Interessenten müssen eine Bewerbung einreichen mit Lebensläufen, Führungszeugnissen und vor allem mit einem Konzept, wie sie sich auf der Bühne präsentieren und welchen sozialen Zweck sie unterstützen wollen.

Einen Auftrittsplan, wie wir ihn heute kennen, gab es anfangs nicht. Noch bis in die 1960er-Jahre traf sich das Kölner Dreigestirn mittags im Excelsior, der damaligen kölschen Hofburg, um mit dem Prinzenführer in den Festplan des Festkomitees zu schauen. Man entschied spontan, wohin man gehen wollte. Damals war es eine Ehre und eine Überraschung, wenn das Dreigestirn eine Sitzung besuchte. Das Dreigestirn sagte ein paar Begrüßungsworte, nahm für eine halbe Stunde im Elferrat Platz und verfolgte das Sitzungsgeschehen. Dann marschierte es wieder hinaus und weiter ging’s zur nächsten Sitzung. Ab den 1970er-Jahren wurde das langsam professioneller. Hatte das Dreigestirn damals rund 120 Auftritte – so viele hat inzwischen allein das Kinderdreigestirn –, so haben wir heute das Vier­ fache. Wir arbeiten mit dem gleichen Buchungs­system, mit dem auch die Künstler arbeiten. Es gibt im Kölner Karneval keine Künstlerin und keinen Künstler, die öfter gebucht werden als das Kölner Dreigestirn.

Brauchen Prinz, Bauer oder Jungfrau heute Entertainer-Qualitäten?

Die Erwartungshaltung hat sich stark gewandelt. Wegbereiter war Wicky Junggeburth, der mit seinem Lied „Eimol Prinz zo sin“ das Dreigestirn zum Programmpunkt machte. Auf diesen Programmpunkt haben sich die Jecken gefreut, zumal er noch viele weitere Lieder auf der Bühne präsentieren konnte. Damit weckte er eine Erwartungshaltung beim Publikum und bei den Gesellschaften. Bis 1993 haben Dreigestirne in der Regel Reden gehalten. Seit 1993 kann man die Dreigestirne, die keine musikalische Darbietung auf der Bühne präsentierten, an einer Hand abzählen. Es wurde getanzt, Trompete, Saxophon, Mundharmonika gespielt. Es gab keine Grenzen mehr. Inzwischen gibt es das Angebot einer professioneller Vorbereitung durch die Akademie des Festkomitees mit einem großen Trainerstab für Redenschreiber, die Rhetorik, für Bühnenpräsenz, Kamera- und Mikrofontraining, Gesang, Tanz, und, und, und.

Werden dadurch der Prinz, der Bauer oder die Jungfrau zu individuellen Künstlern?

Nein, das ist das Schöne an diesem Konzept. Wichtig ist ja, dass die drei jedes Jahr exakt gleich aussehen, dass es also wiedererkennbare Figuren und die Ornate identisch sind. So weiß jeder: Da kommt unser Dreigestirn. Es ist eine Rolle, die gespielt wird, aber irgendwie immer anders besetzt ist. Der Kölsche an sich liebt sein Dreigestirn, die Personen, die in den Figuren stecken, sind da nicht so wichtig. Die geben dem Prinzen, dem Bauern, der Jungfrau einen Charakter für ein paar Wochen und füllen diese Figur mit Leben. Das macht es jede Session neu und spannend.

Und wenn die Zick dann eröm ist?

Das ist ein echter Einschnitt. Als Dreigestirn hat man sich monatelang vorbereitet, von der Bewerbung über die Vorbereitung und das Training bis hin zur Session, ist am Rosenmontag an einer Million jubelnder Menschen vorbeigefahren und dann kommt der harte Cut am Aschermittwoch. Zwei Tage später läufst du durch die Südstadt und kein Mensch erkennt dich mehr. Wir versuchen immer, alle darauf vorzubereiten, dass dieser Cut kommen wird.

Was fasziniert dich an deinem Ehrenamt?

Wenn ich bei der Proklamation im Saal sitze und das Dreigestirn einmarschiert, da geht mir das Herz auf. Immer noch. Die tollen Ornate, der Anblick, wie sie mit der Entourage auf der Bühne stehen – und das geht vielen so. Ich finde es schön, dass wir das jedes Jahr so hochhalten und dass diese drei Figuren unsere höchsten karnevalistischen Repräsentanten sind. Das Dreigestirn repräsentiert die Stadt und den Karneval beispielsweise beim Bundeskanzler, beim Papst und in Venedig. Das ist schon faszinierend.

Bildnachweis: Fotos Dreigestirn von hinten©J. Rieger; Foto Kinderjungfrau©J.Badura; alle anderen Fotos©BKB