Zillche: Mit dem Bauern backstage (Brigitte)

In jeder Session wird das Divertissementchen, von den Kölnerinnen und Kölnern auch liebevoll „et Zillche“ genannt, begeistert gefeiert. Rund 100 Männer der Bühnenspielgemeinschaft Cäcilia Wolkenburg stehen bei dem kölschen Musiktheater auf der Bühne. Kaum zu glauben, wenn man die grandiose Aufführung sieht: Das machen sie alle ehrenamtlich. Wir haben einen von ihnen, Ralf Kaiser, den Bauern im Dreigestirn des diesjährigen Programms, einen Abend lang begleitet.

 

Was ist das Divertissementchen?

Das Divertissementchen istseit über150 Jahren ein Musiktheater der besonderen Art. Solisten, Chor, Ballett, Live-Orchester, Band in opulenten Kostümen spielen während der Session stets eine kölsche Geschichte, die Freude und gute Laune vermittelt. Aufgeführt wird es von Mitgliedern der Bühnenspielgemeinschaft Cäcilia Wolkenburg im Kölner Männer-Gesang-Verein. D.h. alle Rollen, auch die der Frauen, werden von Männern gespielt. Immer wird ein klassischer Stoff des Musiktheaters als Grundlage gewählt und mit einem Mix aus kölschen Liedern, Pop, Rock und Schlagern kombiniert. In diesem Jahr bildet die Operette „Die Fledermaus“ von Johann Strauß den musikalischen Leitfaden für die turbulente Verwechslungskomödie im Köln der „goldenen“ 1920-er Jahre.

Zillche – Divertissementchen 2025 – Die kölsche Fledermaus –
Die Bühnenspielgemeinschaft Cäcilia Wolkenburg – Staatenhaus Köln – Kölner Oper

Alle, die auf der Bühne singen, tanzen und spielen, tun dies ehrenamtlich!

Das Zillche wird jedes Jahr in der Presse groß besprochen, in Ausschnitten vom WDR übertragen und die insgesamt 30 Vorstellungen waren wieder ganz schnell ausverkauft. Warum also mitten in der Session darüber noch einmal darüber berichten? Weil ich ganz zufällig erfahren habe, dass Ralf Kaiser, mit dem ich zur Schule gegangen bin, Sänger im Zillche ist. Im wirklichen Leben leitet er einen Familienbetrieb mit über 200-jähriger Firmengeschichte. Wie lässt sich das mit dem Ehrenamt verbinden? Ich war neugierig.

Simon Wendring, neuer Baas der Bühnenspielgemeinschaft, erzählt von den Vorbereitungen für das Zillche. Für die wichtigen Aufgaben hinter der Bühne wird professionelle Unterstützung geholt. Die rund 100 Männer auf der Bühne machen das, wie gesagt, ehrenamtlich! Simon hat sozusagen ein Ehrenamt im Ehrenamt (und davon gibt es rund 35, die jeweils für drei Jahre gewählt werden). Als Baas (kölsch für „Leiter“) ist er nicht nur für die Gesamtleitung der Aufführungen des Divertissementchens verantwortlich, sondern spielt als Emma Frosch auch noch eine wichtige Rolle im Stück mit viel Text und Gesang. 

Ralf Kaiser

Ralf Kaiser singt schon seit 25 Jahren im Kölner Männer-Gesang-Verein engagiert, aber „De kölsche Fledermaus“ ist für ihn erst das zweite Zillche. Bei „Fidelio am Rhing“ gab er zusammen mit Simon Wendring sein Debüt und war sofort Feuer und Flamme. Doch ca. 200 Termine im Jahr für Auftritte und Proben im Kölner Männer-Gesang-Verein, das muss man sich auch zeitlich leisten können. Das geht erst jetzt, denn sein Sohn hat das Geschäft übernommen und Ralf kann langsam kürzer treten. So fährt er in dieser Session jeden Tag außer montags über 40 Kilometer nach Köln und in der Nacht wieder zurück. 

Hinter der Bühne

Etwa zwei Stunden vor der Vorstellung beginnen allmählich die Vorbereitungen. 100 Mann für das Zillche zu schminken und anzuziehen ist eine logistische Herausforderung., Aber im Staatenhaus, dem Aufführungsort, ist man geübt und hat alles gut durchgeplant. Für Ralf geht’s zuerst in die Maske. Dafür stehen zehn Maskenräume zur Verfügung und jede Maskenbildnerin schminkt vor der Vorstellung 9 bis10 Männer. Ralf Kaiser spielt den Bauern im Dreigestirn. Hat er sich diese Rolle ausgesucht? „Nein“, lacht er, „das Kostüm hat mir einfach gepasst!“ Das Kostüm ist übrigens ein originales Dreigestirnkostüm, eine persönliche Leihgaben Michael Müller, Bauer im Dreigestirn 2015. Den echten Bauern im Kölner Dreigestirn hat er vor ein paar Tagen kennengelernt, als das Trifolium das Zillche besuchte und mit auf der Bühne stand.

Simon Wendring als Emma Frosch

Bei Ralf geht das Schminken schnell, aber bei den Männern, die Frauenrollen spielen, ist die Verwandlung schon aufwendiger. Das Ergebnis aber durchaus beeindruckend.

Singen können die Männer im Kölner Männer-Gesang-Verein alle, aber wie steht es mit dem schauspielerischen Talent? Beim Zillche hat man die Chance sich auch auf der Bühne zu entwickeln, erzählt Ralf Kaiser.Die „Schauspieler“ werden Stück für Stück an die Interpretation ihrer jeweiligen Rollen herangeführt und mit der Entwicklung der Rollen gewinnen sie auch die nötige Bühnenpräsenz. In seinem ersten Zillche hat Ralf nur einen Satz gesungen. Das war für ihn schon aufregend genug. Als Bauer hat er diesmal mehr als einen Satz – und wer weiß, vielleicht wird er ja auch einmal einer der Hauptdarsteller. Es gibt Männer, die ohne jede Vorerfahrung begonnen und nach zehn Jahren Hauptrollen übernommen haben, erzählt Ralf. 

Nächste Station ist die Garderobe. Hier lernen wir Peter Wallraff kennen, der mit über achtzig Jahren die Jungfrau spielt. Im Zillche reicht die Altersspanne der Darsteller von 30 bis über 80 Jahre. Ralfs Bauernkostüm wiegt 15 Kilogramm und deshalb will er es erst kurz vor dem Einsingen anziehen. Während der Aufführung muss er sich zwischendrin einmal umziehen, um dann zum Finale wieder im Bauernkostüm aufzutreten. 

Wie kommt „Mann“ zum Zillche?

Nachwuchsprobleme hat die Bühnenspielgemeinschaft keine. Natürlich kann man sich selbst bewerben, aber in den Pausen laufen so genannte Sängerwerber durchs Foyer und sprechen Männer an. „Du siehst aus, als ob du singen kannst“ oder „Ich glaube, das könnte was für dich sein!“ Und das funktioniert tatsächlich, zumal meist auch die begleitenden Frauenin das Gespräch mit einbezogen werden. Von den 300 Interessenten im vergangenen Jahr kamen immerhin 100 zum „offenen Sängertag“ ins Vereinsheim Wolkenburg. 20 Männer haben die Aufnahmeprüfung bestanden und 14 neue Akteure stehen beim diesjährigen Zillche auf der Bühne.

Einsingen

Eine halbe Stunde vor der Vorstellung trefft sich das Ensemble zum Einsingen. Wie beim Sport müssen die Muskeln aufgewärmt werden, damit man auf der Bühne direkt einsetzen kann, erklärt mir Ralf. Heute wird vorher noch ein gesungener Wahlaufruf mit dem Opernchor der Stadt Köln eingeübt. Und jetzt ist die Verwandlung perfekt, gut gekleidete „Damen“ und schmuck ausgestattete „Herren“, alle im Look der 1920er Jahre sind im Raum versammelt und stimmen sich mit Lalala und Aeiouäöü ein. Es wird noch kurz erklärt, dass trotz des bevorstehenden Streiks der Bühnenbediensteten dank des Einsatzes von KMGV-Mitgliedern die Vorstellung am Donnerstag stattfinden wird und dann machen sich alle für die Aufführung parat!

Wir durften zuschauen und es war ein Genuss. Also eigentlich wie immer! Vom ersten Moment an reißt das Musical die Zuschauer mit, kein Wunder, dass es und zum Schluss stehende Ovationen gab. So viel Spielfreude auf der Bühne zu sehen, macht einfach Spaß und ich habe großen Respekt vor diesem Engagement.

Ich klatsche begeistert, als Bauer Ralf auf die Bühne schimpfend stürmt und entdecke ihn später als Sänger im Chor. Nach drei Stunden bester Unterhaltung, fulminanten Ballett- und Choreinlagen gehen wir gut gelaunt nach Hause. Im Foyer treffen wir noch Simon und ich frage ihn, wie er seine große Rolle neben seinem Ehrenamt als Baas schafft. Seine Antwort: „Daraus ziehe ich meine Energiee!“

Mit Ralf verabreden wir uns für das nächste Jahr. Mal sehen, welche Rolle er dann übernimmt.

Ein Tipp: Das Divertissementchen (auf 90 Minuten gekürzt) ist am Karnevalssamstag, dem 1. März, um 11:15 Uhr im WDR-Fernsehen zu sehen und als Stream in der ARD Mediathek zu sehen.

 

Fotos: Aufführung Divertissementchen 2025 – Szenenfotos © Stefanie Althoff, Backstage ©BKB

 

Das Jecke BKB Trio