1. Damengarde – Corpsappell einmal anders (Brigitte)
Anfang Januar, wenn die Session losgeht, treffen sich die Herren der Traditionscorps zum Corps- oder Regimentsappell. Dann werden neue Rekruten aufgenommen und der Eid geschworen, Mitglieder befördert und geehrt und alle freuen sich auf die nächsten Wochen mit vielen Aufzügen und Veranstaltungen. Eigentlich ist das eine absolute Männerdomäne, wenn es da nicht seit sechs Jahren die 1. Damengarde Coeln 2014 gäbe. Wie aber starten Damen in Uniform in die Session?
Andere Location
Was als erstes ins Auge fiel, ist der Zeitpunkt und das Ambiente. Die 1. Damengarde Coeln 2014 feierte bereits im November kurz vor Beginn der Weihnachtszeit ganz stilvoll mit einem Gala Appell. Und das nicht im Pullmann, Maritim oder Gürzenich, sondern im festlich geschmückten Saal des Hotel Stadtpalais in Deutz, ehemals das Schwimmbecken des Kaiser-Wilhelm-Bades von 1914. Schönstes Jugendstilambiente.
Die Gäste
Ehemänner und Freunde waren gekommen, viele aus anderen Kölner Karnevalsgesellschaften, wie an den Mützen unschwer zu erkennen war.
Einmarsch
Damen in Uniform, wird sich mancher Jeck jetzt schon verwundert gefragt haben? Was ist das denn? Corps – das sind doch Männer. Geht das überhaupt im Kölner Karnevalkommt von „Carne vale! Fleisch, lebe wohl!“und bringt den Charakter des Festes als Freudenfest vor der langen Fastenzeit zum Ausdruck bringt. More? So wird wohl auch mancher Gardist im Jahre 2014 gedacht haben, als er von der Gründung der Damengarde erfuhr.
„Der Marie“
Einmarsch – Trommelwirbel und das Damencorps zieht mit Standarte und Tanzpaar in den Saal, Rosen werden verteilt und die Bühne im Stadtpalais ist viel zu klein für die vielen Gardistinnen. Und jetzt fällt schon der erste Unterschied ins Auge: Die Damengarde hat nämlich eine männliche Marie! Und „der Marie“ hebt den Tanzoffizier in die Höhe.
Also alles nur andersrum wie in den Traditioncorps? Was hat die Frauen damals bewogen hat, ein Damencorps zu gründen? Bei dieser Frage gerät Ehrenpräsidentin und Gründerin der 1. Damengarde Elena Navarini ins Schwärmen und erzählt, dass sie schon als Kind die Traditionscorps fasziniert hätten und diese Faszination auch im Erwachsenenalter bestehen blieb. Frauen bleibt aber die Mitgliedschaft in einem Traditionscorps verwehrt. Selbst die einzige Frau, „et Marie“, wird nach Abschluss ihrer Tanzkarriere nur Ehrenmitglied.
Alles begann auf einem Bierdeckel…
Was macht man nun, wenn es für eine Frau nicht möglich ist, in ein Traditionscorps einzutreten? Man gründet selber eines und zwar ein reines Damencorps. Passiert ist das, als ein jeckes Schmölzje auf einer Sitzungist eine Karnevalsveranstaltung zwischen der Proklamation und Karnevalsdienstag mit einem bunt gemischten Bühnenprogramm: Tanzgruppen und Korpsgesellschaften ziehen in den Saal und präsentieren ihre Tanzkünste, Büttenredner widmen sich mit Witz und Ironie den großen und kleinen Themen der Welt und kölsche Musiker reißen das Publikum von den Stühlen. Highlights sind der Einzug des Dreigestirns und die Ansprache des Prinzen an sein „Narrenvolk“. More der Schmuckstückchen war: Was auf einem Bierdeckel mit Unterschriften begann, führte wenige Monate später zur Gründung der 1. Damengarde Coeln 2014. Damit begann wie bei jeder neuen Karnevalsgesellschaft die Arbeit: Eine Satzung musste geschrieben, Werte benannt, ein Programm festgelegt und eine Bühnenpräsenz entwickelt werden. Zog man anfangs mit Ringelshirt und Krätzjer los, wurde bald eine Uniform selber entworfen. So ziehen die Damen heute in Hose und nicht im Rock auf.
Ganz bewusst haben die Damen damit eine neue Tradition begründet. In ihrem Tun aber hält die Gesellschaft an den Traditionen des Kölner Karnevalkommt von „Carne vale! Fleisch, lebe wohl!“und bringt den Charakter des Festes als Freudenfest vor der langen Fastenzeit zum Ausdruck bringt. More fest, pflegt dessen nostalgische Seite und setzt sich durch die Pflege der „kölschen Sproch“, der „Leeder“ und „Krätzcher“ für den Erhalt des Brauchtums im „kölschen Fasteleer“ ein. Wie im Fastelovend üblich gibt es auch ein karitatives Element, die Damen engagieren sich für Projekte bedürftiger Kinder, Frauen und Senioren, unterstützen Pfarrfeste und haben Charity-Auftritte in Hospizen und Altenheimen.
Vereidigung
Der Erfolg gibt der Damengarde Recht. Aus den Fünfen sind heute 60 Mitglieder plus Fördermitglieder geworden und die Zahl wächst weiter. Zwei Sessionen müssen sich Hospitanten bewähren und werden dabei engmaschig begleitet und betreut. „Wir möchten langsam wachsen und unsere Homogenität bewahren“, erzählt Pressesprecherin Christiane Henneken.
Inzwischen ist die Damengarde längst akzeptiert und wird als Bereicherung des Kölner Karnevals angesehen. Wie die männlichen Corps wird sie zu anderen Veranstaltungen und zu Aufzügen eingeladen. Seit 2019 ist sie dem Festkomitee angeschlossen und mittlerweile hospitierendes Mitglied. Das Highlight gab es in der letzten Session, als die Damengarde zum ersten Mal im Rosenmontagszugist der Höhepunkt der jecken Session, bei dem sich rund eine Million Jecke am Straßenrand drängeln, um gemeinsam das „schönste Ereignis“ im ganzen Jahr – wie die Kölner meinen – zu feiern. Alle Infos unter www.koelnerkarneval.de/karnevalszuege/.rosenmontagszug/ More mitgegangen ist.
Hoher Besuch
Was der Anschluss an das Festkomitee bedeutet, zeigte sich beim Gala Appell. Während der Begrüßung gab es nämlich eine für die Präsidentin unerwartete Programmänderung: Christoph Kuckelkorn war mit zwei Vorstandskollegen erschienen, um Barbara Brüninghaus als neue Präsidentin feierlich zu vereidigen. Die Präsidentinnenkette bekam sie dann durch ihren Ehemann überreicht.
Im Anschluss ging es weiter wie bei den männlichen Gardisten: Beförderungen wurden ausgesprochen, Rekrutinnen vereidigt, es folgten Uniformappell, Exerzieren und der Garde- und Mariechentanz.
Wenn man so möchte, verkörpert die Damengarde Tradition und Persiflage zugleich: Sie hält die traditionellen Werte des kölschen Fasteleer hoch und stellt diese zugleich auf den Kopf. Bestes Beispiel ist das Tanzpaar, das ja zu jedem Corps gehört. Bei der Damengarde heißt es aber: Der Marie – wie es bis in die 1930er Jahre üblich war. Udo Laurien mit blonden Zöpfen und Rock verkörpert „Et Marie“ und tanzt mit dem Tanzoffizier Katja Käding über die Bühne.
„Zabel erus“ und Ausmarsch
Was anders ist als bei den männlichen Corpsappellen, zeigte sich nach dem Ausmarsch: Alle Gardistinnen wechselten ihre Garderobe – aus der Uniform ins Abendkleid. Denn die Damengarde beschreitet mit ihrem Appell einen eigenen Weg, indem sie mit einer Kombination aus Corpsappell und Ballist eine gehobene, festliche Tanzveranstaltung in Abendgarderobe. More aufwartet. Der Galateil des Abends begann mit einem mehrgängigen Menü, zu dem das Kohberg Orchester unter der Leitung von Olav Calbom, die Sopranistin Ludmilla Larusso und Dä Nubbeloder Zacheies ist eine Strohpuppe, die von Altweiber an über der Eingangstür oder aus den Fenstern vieler Kneipen hängt. Der Nubbel hat im Kölner Karneval eine ganz besondere Funktion: Er ist nämlich der Sündenbock, der an allen Sünden schuld ist, die im Karneval begangen wurden. Ob leerer Geldbeutel, dicker Kopf, ein betrogener Partner oder das Vergessen des Alltags, der Nubbel muss dafür am Ende der Karnevalszeit büßen. Am Karnevalsdienstag um Mitternacht wird er unter lautem Geheule und Wehklagen verbrannt und damit werden nach dem Volksglauben auch die Schandtaten der letzten Tage symbolisch zu Grabe getragen. More (Michael Hehn) das Rahmenprogramm bildeten.
Nach dem Essen wurde zum Tanz gebeten, bevor DJ Gabor ab Mitternacht zur Party einlud.
Man darf gespannt sein, ob die 1. Damengarde einmal zum Traditionscorps ernannt wird. Dürfen im Fasteleer auch Frauen unsere Vaterstadt schützen und repräsentieren? Christoph Kuckelkorn hat an diesem Abend schon drauf hingewiesen, dass er diese Session bereits drei Präsidentinnen, aber nur einen Präsidenten vereidigt hat. Wenn das mal kein Zeichen ist …