11.11.2018 – Ist schwarz das neue Konfetti ? (Wilfried)
Sessionseröffnung – Hölle, Hölle, Hölle. Als Selbständiger ist Sonntag der einzige Tag in der Woche, an dem man ausschlafen kann. Und dieses Jahr fällt der 11.11 genau auf einen Sonntag. Punkt sieben geht der Wecker. Ab ins Bad, duschen, schminken und aufhübschen. Punkt acht Uhr ist man dann auf der Straße und versucht sich klar zu werden, ob man lieber mit der Bahn oder per Taxi in die Altstadt fahren sollte.
Müde wie man ist, fällt die Entscheidung auf das Taxi. Mein Gott ist es schon voll auf der Straße. Wie eine Völkerwanderung marschieren bunt kostümierte Gestalten per pedes Richtung Innenstadt. Zu diesem Zeitpunkt noch nüchtern, aber Getränkevorräte baumeln aus Plastiktaschen oder Rucksäcken. Der Kölner an sich verdrängt ja sehr viel. Obwohl in sämtlichen Zeitungen über das Glasverbotgilt am 11. November und an den Karnevalstagen in der Altstadt, auf den Ringen und in der Umgebung der Zülpicher Straße, bei Verstößen muss man ein Bußgeld in Höhe von 60 Euro zahlen. More in der Innenstadt berichtet wurde, interessiert dies die Feiernden gänzlich gar nicht.
Gut, dazu später.
Schwarz – das neue bunte Konfetti?
Am Heumarkt hatte ich die Möglichkeit mich all area aufzuhalten, welch großes Glück. Auf der Bühne, vor der Bühne oder neben der Bühne war mein Wirkungskreis als Notfallphysiotherapeut. Die ersten auftretenden Gruppen vor der Fernsehübertragung waren schon da, alle top nervös, weil ja zum ersten Mal vor so einem Riesenpublikum ihre neuen Hits präsentiert wurden.
Ich möchte auf gar keine Band besonders eingehen, aber warum alle in Schwarz? Ist das intellektuell, versteckt es Schmutz auf der Kleidung, ist es antiseptisch oder warum tragen 80 Prozent der auftretenden Gruppen Schwarz?
Und das vor einer schwarz abgehangenen Bühne?
Aber das sieht jeder anders.
Ab und zu einen Streifen weiß oder rot. Für das Publikum nicht gerade toll. Dagegen waren die dicht an dicht stehenden Jecken bunt kostümiert. Will man sich vom Publikum optisch abgrenzen? So nach dem Motto schaut her, ich trage schwarz und bin ein Künstler? Top Acts waren Kasalla, Paveier, Domstürmer, Brings und die kommende Gruppe Pläsier.
Ab und zu mischte ich mich mal unter die Feiernden. Ehrlich gesagt, viele Kölner waren nicht darunter, aber alle textsicher in Vollendung. Grandios mitsingend, sogar bei den neuen Sessionshits. Vom Niederrhein bis Frankfurt, von Belgien bis tief ins Sauerland sind sie all hergekommen.
Zwischendurch behandelte ich ein paar Blessuren bei den Roadies, die nur für ihre Bands die Sachen schleppen. Ein knüppelharter Job, den die Jungs hier machen. Die haben immer was gut bei mir. Auftretende Künstler stehen da mal zurück und lassen ihren malochenden Angestellten in der Behandlung den Vortritt.
Der Hammer sind die beiden Gebärdendolmetscher an der Bühnenseite. Was die leisten ist aller Ehren wert. Mit einer Freude ohnegleichen „übersetzen“ sie jedes Lied für unsere hörgeschädigten Mitmenschen. Daumen hier ganz weit nach oben.
Und man sieht sich jedes Jahr. Und es ist so schön. Eine große Familie ist das hinter der Bühne.
Sogar der ausgeschiedene Frontmann Charly von den Räubern hat es sich nicht nehmen lassen dabei zu sein, weigerte sich aber auf die Bühne zu gehen. Vorbei ist vorbei ,war seine Antwort auf meine Frage und ich meinte ein Tränchen in seinen Augen gesehen zu haben.
Problem Alkohol
Das Publikum innerhalb der abgetrennten Feiermeile war sehr diszipliniert, aber außerhalb war wieder einmal Sodom und Gomorrah. Furchtbar, furchtbar. Ein Großteil der zumeist sich im Alter zwischen 17 und 30 Jahre alten Karnevalstouristen war betrunken, wenn nicht besoffen. Überall nur torkelnde und grölende Verkleidete mit Flaschen in der Hand, die hospitalismusgleich wie ein eingesperrter Tiger im Käfig stupide ihre immer gleichen Runden drehten.
Es tut mir als Kölner weh in der Seele darüber berichten zu müssen. Es ist die Wahrheit und wer dies anders sieht, hat eine rosarote Brille auf. Flaschen flogen außerhalb der Absperrungen durch die Gegend, Leute kotzten in jegliche Ecken und entleerten ihre Blase öffentlich.
Ich habe mich lange gefragt, was Menschen treibt, so viel Alkohol in sich reinzuschütten. Ich denke, es gibt keinen eigenen Grund. Es ist mittlerweile ein Gruppenzwang. Was die anderen machen, das mach ich auch. Auf der Bahnfahrt kotzte ein Typ volle Möhre in die KVB. Kein Einzelfall. Ärger brauchen diese bis zum Anschlag Alkoholisierten zu Hause nicht zu fürchten, der ganzen Familie geht es höchstwahrscheinlich nicht anders.
Aber, Gott sei Dank gibt es sie noch. Die Normalos. Schunkelnd, mit Alkohol Maß haltend und hemmungslos feiernd. Wunderbar, wunderschön, aber mittlerweile in der Minderzahl. Ab und zu noch eine hausgemachte „Blos mich jet und Bumms-Kapell“ und ausgelassen und fröhlich singende und feiernde Menschen.
Ich bin nicht prüde. Aber die Gegenfraktion widert mich an. Das hat mit Karnevalkommt von „Carne vale! Fleisch, lebe wohl!“und bringt den Charakter des Festes als Freudenfest vor der langen Fastenzeit zum Ausdruck bringt. More nichts, aber auch gar nichts zu tun.
Es hat auch was mit der Location zu tuen. Ist man in einem abgetrennten Bereich wie auf dem Heumarkt, Tanzbrunnen, Gürzenich oder in einem Hotel braucht man sich den anderen gegenüber nicht zu beweisen was ein toller Typ man ist und hält sich mit dem Alkohol zurück.
genauso viel Spaß ohne Glas
Flaschen über Flaschen in der kompletten City. Mit Glas keinen Zutritt ab einem gewissen Bereich. Wenn dann mal kontrolliert würde. Nur offensichtlich getragene Bierflaschen wurden von der Security in aufgestellte Rollcontainer entsorgt. Und zwar hineingeworfen aus Platzreduzierungsgründen. Warum sammelt man nicht die 1000en von Flaschen und holt sich für caritative Zwecke das bezahlte Pfand zurück? Alles schreit, wir haben kein Geld. Hier liegt es auf der Straße und kein Mensch bückt sich, um es aufzuheben. Unsere Obdachlosen sammelten nur Dosen und Plastikflaschen wegen des höheren Pfands.
Scherben über Scherben trotz Glasverbotgilt am 11. November und an den Karnevalstagen in der Altstadt, auf den Ringen und in der Umgebung der Zülpicher Straße, bei Verstößen muss man ein Bußgeld in Höhe von 60 Euro zahlen. More auf der Straße. Ich habe in der kurzen Zeit auf der Straße fünfmal den Rettungswagen gesehen, nachdem Jecke mit den Händen in diese Scherben gefallen waren.
Stimmung bei den Erdmännchen
Im Gürzenich bei den Erdmännchen tobte der Bär. Ausgelassene Stimmung, alles friedlich. Was Elke Schweren , Peter Kärcher und Manfred Eupen da karitativ auf die Beine stellen, ist absolut mega. Prädikat absolut empfehlenswert für den 11.11.11.11.: An dem jecken Datum im November wird um 11.11 Uhr auf der großen Straßensitzung der Willi-Ostermann-Gesellschaft auf dem Heumarkt offiziell die Karnevalssession eröffnet und das designierte Kölner Dreigestirn begrüßt seine Jecken. Daneben gibt es viele andere Veranstaltungen zur Sessionseröffnung. More
Bei guten Getränken und Essen hier mit den Höhnern und Räubern zu feiern, macht riesig Laune. Wenn man nach Abschluss der Veranstaltung auf die Straße tritt, trifft einen die Wirklichkeit wie ein Keulenschlag.
Ich kann jedem Besucher des 11.11 in unserem Köln nur empfehlen, sich Karten für den Sartoy, Tanzbrunnen, Heumarkt, Maritim, Gürzenich usw. für diesen Tag zu besorgen .
Es tut mir als Kölner so weh, keinem mehr das Feiern in der Innenstadt empfehlen zu können. Ich habe mich von morgens 8 Uhr bis 20 Uhr dort aufgehalten.
Es kann auch sein, dass man als Nicht-Betrunkener diesen Horror ganz anders registriert und als Alkoholisierter das alles schön und toll findet. Aber das darf doch nicht das Maß aller Dinge sein.
Aber Gott sei Dank gibt es sie noch, auch in der Innenstadt: die Jecken, die fröhlich und ausgelassen feiern, schunkeln und tanzen. Aus Spaß an der Freud.
So soll es sein, so kann es immer bleiben.
Der Wilfried
Bildnachweis: Alle Fotos & Clips „Der Wilfried“