Karneval 21/22– Jetzt schon mein Resumée (Wilfried)

Was haben wir uns alle im Herbst gefreut. Der Karneval ist wieder da. Die Corps, die Tanzgruppen, die Bands, die Offiziellen und alle Karnevalsjecken. Der 11.11 lief ja noch ganz normal mit Kontrollen wie auf dem Heumarkt. Ich selbst war Gast backstage. Sechsmal wurde ich kontrolliert, bis ich da war, wo man mich haben wollte. Unter den Künstlern und allen anderen gab es eine riesige Wiedersehensfreude, aber alles auf Abstand. Kein Drücken, sondern Faust auf Faust war das Begrüßungsritual. Jeder, aber auch wirklich jeder, wusste um die Wichtigkeit dieses Tages.

Dann natürlich der Schock. Das Dreigestirn nicht da. Einer erkrankt, Solidarität zeigend kamen Bauer und Jungfrau auch nicht. Ich habe bis dato nicht gewusst, da bin ich ehrlich, wie wichtig das Dreigestirn am 11.11 auf der Karnevalseröffnung ist.

Aber beim Anblick der Zülpicher Straße lief manch einem schon die Gänsehaut über den Rücken.  Zehntausende Feierwütige außer Rand und Band und das Ordnungsamt trotz aller guten Vorsätze hoffnungslos überfordert. Da schwante einem schon Ungutes.

Das böse Erwachen kam dann im Dezember. Jede Gesellschaft, die kein Risiko eingehen wollte, konnte ihre Sitzungen mit der Voraussicht absagen, ca. 90 Prozent der Kosten aus dem Säckel des Landes erstattet zu bekommen. Dazu musste man seitenweise Schriftsätze ausfüllen, Belege kopieren und sortieren und sich tagelang am Computer zwischen Verträgen und Schriftsätzen aufhalten.

Ein Hoch auf alle Schatzmeister, Schriftführer, Agenturen und andere Beschäftigte, die dies bewerkstelligt haben. Eine zeitraubende, nervige Arbeit, die sich aber lohnte.

Und sind wir doch mal ehrlich, das Geld, welches das Land NRW hier zu Verfügung stellt, dient dem finanziellen Überleben der Gesellschaften, der Agenturen, der Bands, der Redner, der Saalbetreiber, der Tanzgruppen und vielen anderen.

Und, hier müssen wir auch ehrlich sein, die Forderung dieser Möglichkeit kam aus den Reihen der Karnevalisten. Noch so ein Jahr wie 20/21 und der Karneval in unserer bekannten Art hätte nicht mehr überlebt. Kosten wie Büro, Angestellte und Miete laufen ja immer weiter.

Und was waren und sind noch viele auf dem Festkomitee am Rumhacken. Die tun ja nichts, die denken immer nur an sich und nicht an den normalen Karnevalisten usw.

Einzug in die Hofburg

Leute, Leute! Nicht weil ich auch im Festkomitee bin, die rödeln jeden Tag, um in den gesteckten Grenzen wenigstens ein bisschen Karneval der Stadt Köln zu geben. Tag und Nacht arbeiten sie an neuen Konzepten, sind in Verhandlungen mit dem Land und der Stadtverwaltung und an neuen Konzepten, wie an dem verkleinerten Rosenmontagszug im Stadion.

ICH möchte nicht Zugleiter sein. Man möchte Köln die über das ganze Jahr entstandenen Persiflagewagen auch zeigen.

Und wenn man jetzt noch liest, dass das Festkomitee es nur des Geldes zuliebe macht, kann ich nur mit dem Kopf schütteln. Man versucht unter anderem mit dieser Maßnahme den Zuhausegebliebenen eine bisschen Normalität bei der Übertragung des WDR ins Wohnzimmer zu bringen.

Und dann noch die Aussage, dass nur Priviligierte ins Stadion dürfen. Was für ein Quatsch. Die Zuschauerzahl ist begrenzt und jeder konnte sich um Karten bemühen und Karten anfragen. Ich glaube, jede Gesellschaft bekommt 20 Karten für die eigenen Mitglieder. Mehr als gerechtfertigt, wenn man den Kostenpunkt für Pferde, Prunkwagen, Versorgung und das komplette Drumherum berücksichtigt.

Natürlich wollen alle Protagonisten auftreten. Wollen Geld verdienen. Und wenn man ihnen jetzt die Möglichkeit gibt, ca. 90 Prozent der Auftrittsgagen zu erhalten, obwohl die Sitzungen nicht stattfinden, ist das toll. Dazu kommen jetzt noch die Auftritte bei den neu entstandenen Sitzungen. Das wird, glaube ich, noch ein bisschen Ärger geben, wenn der auftretende Künstler dadurch eventuell mehr verdient als in einer normalen Session.

Aber davon habe ich keine Ahnung, ich weiß nur, dass es hier rumort und viele Karnevalisten ein ungutes Gefühl bei den Großverdienern haben, wenn diese die hohe Prozentsumme für ausgefallenen Auftritte dann ausgeschüttet bekommen. Ich jedenfalls bin froh, dass uns durch diese Maßnahme ein großer Teil unseres historischen Fastelovends erhalten bleibt.

Auf der Strecke bleibt der Normalkarnevalist, in dessem Herz es brennt ohne Ende, der raus will, auf Sitzungen, feiern und schunkeln will. Der hatte oftmals kein Verständnis dafür und sorgte im Social-Media Bereich lauthals für Unruhe.

Überhaupt ist mir aufgefallen, dass eine Verklärung der Pandemie gelegentlich geldtechnisch begründet ist. Je höher die finanzielle Abhängigkeit von unserem Karneval, umso mehr wurde gegen die verordneten Maßnahmen gewettert.

Aber das ist einerseits auch nachvollziehbar. Gott sei Dank entwickelten sich kleinere Formate der Sitzungen. Pandemiegerecht konnte auch dort gefeiert werden. Aber siehe da, der Kartenverkauf stockte auch hier. Vielen der Karnevalisten war das nicht geheuer und sie blieben lieber diesen Möglichkeiten aus Gesundheitsgründen fern.

Ich fand diese kleine Form von Sitzungen grandios. Im Kölsche Boor am Eigelstein hatte ich die Möglichkeit, solch eine Sitzung zu besuchen. Hervorragend präsentiert von Kay Passmann und Albert Ackermann, ging dort die Blüte solch kleiner Veranstaltungen auf.

Nicht Künstler der allerersten Garde traten dabei auf, sondern die urkölschen Künstler wie Annegret vom Wochenmarkt, Ralf Knoblich, Marita Köllner uvam. Nur jeder zweite Platz wurde besetzt und man kam nur rein mit seinem Impfpass und tagesaktuellen offiziellen negativen Schnelltest.

Im Sitzen ohne Maske, im Stehen mit Maske, ebenso beim Mitsingen. Man hörte den Künstlern ruhig zu und alle waren begeistert. Ein wunderschönes Format.

Back to the roots, zurück zu den Wurzeln des Karnevals. Wie früher. Ach, wie war das schön. Ein Torben Klein vertrat ohne Wenn und Aber seine erkrankte Ehefrau Nadine auf der Bühne und riss den kölschen Boor ab.

Bei größeren Formaten wie auf der anderen Rheinseite streikte ich. Aber das ist meine persönliche Sache. Jeder kann machen, was er will, ich will es nicht. Verschiedenen großen Bands wurden solche größeren Veranstaltungen auch etwas zu „gefährlich“ und sie traten oftmals dann lieber die Heimreise an.

Tanzgruppen sah man überhaupt nicht. Mein Herz blutet, wenn ich daran denke. Allen Tanzgruppen laufen jetzt im zweiten Jahr die Mitglieder weg. Man kann die Tänzer und Tänzerinnen auch nicht mehr motivieren. Mit was denn auch? Um ihnen wie vor zwei Jahren zu versprechen, dass sie auf großen Bühnen tanzen und zig Auftritte hätten? Das ist dieses Jahr zum zweiten Mal schiefgegangen. Zig Trainingseinheiten für nichts, für gar nichts.

Kindersitzung der Nippeser Bürgerwehr

Nur die ganz Harten bleiben und, neue Tänzer und Tänzerinnen zu finden, ist so schwer. Und das choreografische Erbe wird nicht weitergegeben. Und zwar von den Alten an die Neuen. Ich empfinde das als so schade und kann nur jeden Aktiven bitten, seiner TG treu zu bleiben.

IN DER HEUTIGEN ZEIT MUSS DER AKTIVE NICHT FRAGEN, WAS DER KARNEVAL FÜR EINEN SELBST TUN KANN; ER MUSS SICH FRAGEN, WAS ER GERADE JETZT SELBST FÜR DEN KARNEVAL TUN KANN.

Darum helft eurem Verein. Haltet ihm die Treue. Es wird wieder andere Zeiten geben. Wenn man über all die Jahre was hat, wird es zu einer Gewohnheit. Das einzig Positive an dieser Zeit ist es doch zu wissen, wie schön es in den vergangenen Zeiten war, und sich dann um so mehr wieder darauf zu freuen, wenn es wieder läuft.

In diesem Sinne von mir ein ganz laut aus dem Herzen kommendes

KÖLLE ALAAF

Der Wilfried

Bildnachweis: Fotos Kuckekorn und Kölsche Boor ©Wilfried; alle übrigen ©BKB Verlag